0720 - Zwei Verdammte aus Aibon
mehr lange bis zum Eintritt der Dämmerung.
Sie drehte sich um, als ihre beiden Gehilfen das Haus verließen. Mißtrauisch schauten sie sich um.
Ihre Hände befanden sich in einer ständigen Bewegung. Mal waren sie gestreckt, mal schlossen sie sich zu Fäusten, als wären sie dabei jemanden zu erwürgen.
»Gleich wird es dunkel«, sagte Rugan.
»Ich weiß, und das soll auch so sein.«
»Außerdem läuft noch ein Hund im Dorf umher.«
Saskia nickte. »Den werden wir uns zuerst holen…«
Es waren ihre letzten Worte, denn sie ging mit zielstrebigen Schritten los.
Kool und Rugan folgten ihr wie zwei gehorsame Hunde. Es gab Tage, da ging es ihnen in dieser Welt besser als damals in Aibon. Heute war so ein Tag.
Die Nacht aber sollte für sie zu einem Fest werden…
***
Ich hatte das unbestimmte Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben, als wir den Wagen verlassen hatten, um das letzte Stück bergan zu Fuß zu gehen.
Mit Jessica hatte ich nicht darüber gesprochen, doch ich wollte sie nicht negativ beeinflussen, aber ich würde mich nicht lange an dieser Grube aufhalten, das stand jetzt schon fest.
Wir schritten schweigend nenbeneinander her. Da mir Jessica davon berichtet hatte, daß sie beobachtet worden war, schaute ich mich immer wieder um. Noch konnte ich alles sehen, denn es war hell genug.
Aber die Landschaft schwieg.
Unberührt schien sie zu sein. Es war weder ein zwei- noch ein vierbeiniges Wesen zu sehen. Stille umgab uns, und nur unsere eigenen Schritte waren zu hören.
Jessica Long führte mich nicht nur auf ein Waldstück zu, sondern auch dort hinein. Kaum hatte ich es betreten, da veränderte sich der Geruch der Luft.
Ich roch es…
Auch Jessica hatte es wahrgenommen. Sie blieb stehen, drehte sich um, bewegte dabei ihre Nase.
»Habe ich recht, John?«
»Es scheint so.«
»Komm weiter. Wenn es dunkel wird, landen wir nachher noch in dieser verdammten Grube.«
Wir hatten sie sehr bald erreicht. Der große Laubteppich sah aus wie ein hochgestellter Schatten, und Jessica hielt mich am Arm zurück, als ich einen Schritt nach vorn machen wollte.
»Sei jetzt ganz vorsichtig, John!«
»Klar, ich mag keine Fallgruben.« Hier gab es mehr Schatten als Licht. Ich hatte die Lampe herausgenommen und leuchtete den Teppich aus Laub an.
Am Rand einer Öffnung blieb er hängen. Saskia Beaufort hatte es nicht wieder für nötig gehalten, das Laub über dem Einstieg zu verteilen. Nach wie vor strömte aus der Öffnung dieser eklige, atemraubende Verwesungsgeruch.
Ich änderte meinen Standort, schlug einen großen Kreis und war dabei sehr vorsichtig, denn an manchen Stellen lag nur Laub, so daß ich kaum Halt bekam.
Jessica hatte einen langen Ast gefunden. Mit ihm durchstocherte sie den Laubteppich und erweiterte die Öffnung. Das war für mich ideal. So konnte ich in die Tiefe der Grube leuchten.
Und was ich sah, klemmte mir den Hals ein. Eine widerliche Masse aus Fleisch, Haut und Knochenstücken, die verfaulte, verweste, verschimmelte und an einigen Stellen so aussah, als würde sie sich bewegen. Es lag an den zahlreichen Käfern, Fliegen und Ameisen, für die diese Masse ideal war.
Für mich allerdings weniger, denn ich drehte mich zur Seite. Jessica zog den Ast wieder zurück.
»Nun, John«, sagte sie mit belegter Stimme, »habe ich zuviel versprochen?«
»Das hast du leider nicht.«
»Wieso leider?«
»Anders wäre es mir lieber.«
Sie kam auf mich zu und lachte bitter. »Es ist aber so.« Dann schüttelte sie sich. »Wenn ich daran denke, daß ich in dieser Grube gelegen habe, wird mir ganz anders.«
Ich legte einen Arm um sie. »Keine Sorge, daß wird nicht mehr passieren. Jetzt wissen wir zumindest, wo wir sie finden können.«
»Falls sie zurückkehren.«
»Daran glaube ich nicht, Jessie. Ich nehme eher an, daß sie auf Beutetour sind.«
»Aber es gibt nur noch einen Hund.«
»Im Ort selbst. Und in der Umgebung?«
»John, ich habe nichts gesehen. Kein Reh, keinen Hasen, keinen Fuchs, nichts. Das alles hat es gegeben, aber es liegt als Rest in dieser verdammten Grube. Wie ist das möglich, daß sich Menschen von rohem Fleisch ernähren?«
»Menschen?«
»Ich habe ihn gesehen.«
»Und du denkst nicht an Ghouls?«
Da ging sie einen Schritt zur Seite und preßte für einen Moment die Handfläche vor ihren Mund.
»Meine Güte, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Wie war das damals in dem Restaurant auf dem Hausboot…«
»Eben.«
»Das ist ja furchtbar, das ist ja einfach
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