0724 - Der Stasi-Vampir
lang…
Helmut überlegte, ob er fliehen sollte. Er hätte sich damit wohl in Sicherheit bringen können, doch der Vampir würde sich das Blut suchen und nach den anderen Hausbewohnern Ausschau halten.
Das konnte er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren. Sterben aber wollte er auch nicht.
Es gab nur eine Lösung.
Er mußte den Blutsauger vernichten! Mit einem Eichenpflock erst recht nicht.
Oder?
Auf einmal arbeitete er wie ein Computer. In all den sozialistischen Jahren hatte er gelernt, daß man mit gewissen Dinge improvisieren mußte, um mit ihnen klarzukommen.
In seiner Wohnung befanden sich Möbel. Zum Beispiel im Wohnraum. Da waren die Stühle aus Eiche. Diese Möblierung hatte einmal Helgas Eltern gehört. Zur Hochzeit hatten sie das Zimmer dem jungen Ehepaar geschenkt.
Jetzt freute er sich darüber, daß er seinen Werkzeugkasten in der Küche hatte. Es würde leicht sein, an ihn heranzukommen. Er konnte es kaum erwarten, das Bad zu verlassen, blieb aber trotzdem vorsichtig und atmete tief auf, als er den fetten Körper des ehemaligen Polizisten noch immer bewegungslos liegen sah.
Er zuckte auch nicht, zeigte keinerlei Anstalten, sich zu erheben. Stoßflug hoffte, daß der Zustand noch eine Weile andauern würde.
Er stolperte in die Küche. War unheimlich nervös. Sein Atem keuchte über die Lippen. Die untere Tür des Küchenschranks wurde so heftig aufgerissen, daß sie fast aus den Angeln fiel.
Vor ihm lag das Werkzeug. Er fand die Axt nicht sofort, schleuderte zuerst Hämmer, Zangen und Schraubenzieher aus dem unteren Regal, die neben ihm scheppernd aufschlugen.
Dann hatte er sie in der Hand.
Es war ein kleines Beil. Er hatte es sich erst vor einigen Monaten gekauft.
Er lief weiter in den Flur, von dort in den Wohnraum, schloß sich ein und nahm sich den ersten der beiden Stühle vor.
Früher war es über deren Stabilität froh gewesen, heute ärgerte er sich. Obwohl die kleine Axt mit einer sehr scharfen Schneide ausgestattet worden war, mußte er einige Male hämmern, bis es ihm gelang, eines der vier Beine von der Stuhlfläche zu trennen.
Aber er schaffte es.
Helmut wischte sich den Schweiß von der Stirn und auch von den Wangen. Er zitterte innerlich.
Sein Gefühl sagte ihm, daß ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Dann würde es ihn auch noch Überwindung kosten, den Pflock in den Leib des Vampirs zu rammen.
Er hielt das Stuhlbein schräg mit dem einen Ende gegen den Boden gestemmt. In der rechten Hand hielt er das Beil und fing an, das Stuhlbein an seinem unteren Ende zu bearbeiten. Er freute sich, als sich erste Holzstücke knirschend lösten und auf den alten Teppich fielen.
Er machte weiter, er gönnte sich keine Pause und mußte feststellen, daß er als Schreiner kaum ein Butterbrot verdient hätte. Es war gar nicht so einfach, das kleine Viereck in eine Spitze umzuformen, die auch einen Widerstand durchdringen konnte.
Je mehr Zeit verging, um so besser klappte es. Es wurde kein Kunstwerk, doch Stoßflug konnte mit seiner Arbeit zufrieden sein.
Eigentlich war die Waffe schon fertig. Es fehlten nur noch die letzten Feinheiten. Wenn Zeit blieb, wollte er sich darum kümmern.
Bisher hatte Helmut auf dem Boden gehockt. Nun stand er auf. Er schlich auf die Tür zu, um zu lauschen, ob sich im kleinen Flur schon etwas geändert hatte.
Das war geschehen.
Er hörte den Vampir…
Es waren unheimliche Geräusche, deren Schall auch die geschlossene Tür nicht stoppen konnte. Der Blutsauger bewegte sich nicht nur, er gab auch Laute von sich, die denen eines Tieres glichen, das gefangen war und aus seinem Käfig herauswollte.
Dann erwischte es die Tür. Jedenfalls wußte er, wo sich das Opfer aufhielt.
Vampire riechen so etwas…
Helmut Stoßflug schluckte. Plötzlich fühlte er sich wie ausgewrungen. Er schien die Hälfte seines Gewichts verloren zu haben. Er wußte nicht mehr, wie er sich verhalten sollte. In der Theorie hatte alles so wunderbar geklappt, doch jetzt in der Praxis.
Der nächste Schlag erwischte die Tür.
Und diesmal zitterte sie bereits. Es war leicht auszurechnen, wann es dem Blutsauger gelang, die Tür einzuschlagen und sich dann sein Opfer zu greifen.
Wohin - was tun?
Helmut Stoßflug kam nicht mehr zurecht. In seinem Gehirn war es leer geworden. Die Vorsätze und Gedanken schienen sich auf die große Reise begeben zu haben.
Sollte er aus dem Fenster springen?
Es war vielleicht die letzte Möglichkeit. Nur war die Chance, einen Sprung aus dem dritten Stock zu
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