0726 - Krematorium der Angst
wir nach Liverpool fahren, John, geraten wir in eine Hölle.«
»Daran glaube ich auch. Andere Frage, Vincent. Wann sollen wir uns denn auf den Weg machen? Was haben Sie sich gedacht?«
»So rasch wie möglich. Jede Stunde, die unnütz vergeht, ist verloren.«
»Also heute?«
»Ja.«
»Gut, mein Wagen…«
Er legte mir eine Hand auf die Schulter. »Nein, auf keinen Fall mit dem Wagen, John, sie kontrollieren viel. Ich würde den Zug vorschlagen. Fahren wir mit dem Zug. Das ist sicherer. Da kann auch, wenn es denn so sein wird, unser Gegner nicht ausweichen. Da können wir ihn stellen. Sie verstehen?«
»Sicher. Aber ich möchte beweglich sein.«
»In Liverpool nehmen wir einen Leihwagen.«
Der Vorschlag war gut, auch wenn er mir nicht ganz in den Kram paßte. Ich kam noch einmal auf den Jungen zu sprechen und spürte die Nervosität des Mannes.
»Glauben Sie nicht, daß er aufgegeben hat. Er wird uns auf den Fersen bleiben.«
»Dann ist es besser, wenn wir beide uns nicht mehr trennen.«
»Das hatte ich gerade vorschlagen wollen.«
»Gut.« Ich stand auf und reckte mich. Vom Sitzen war ich steif geworden. »Sie werden mir aber noch gestatten, mit meinem Chef, Sir James, über den Fall zu reden.«
Er runzelte die Stirn. »Muß das sein?«
»Ja, denn ihm können wir vertrauen.«
»Ich will nicht zum Yard.«
»Brauchen Sie auch nicht. Ich werde ihn von meinem Wagen aus anrufen. Danach können wir uns auf den Weg machen. Ein gepackter Koffer steht bei mir zu Hause immer bereit.«
Er nahm meine rechte Hand und drückte sie. »Jetzt weiß ich, daß es richtig gewesen ist.«
»Was denn?«
»Mich an Sie zu wenden, John.«
Ich hob die Schultern. »Seien Sie nicht so voreilig. Das wird sich alles noch herausstellen…«
***
Victoria Station - Londons größter Bahnhof. Wir hatten ihn erreicht, wir hatten uns in das Gewühl gestürzt, und ich schaute auf meine Uhr. Am Morgen hatte unser Treffen im Park stattgefunden, jetzt war es Mittag, in wenigen Minuten würde der Zug in Richtung Küste abfahren, nach Nordwesten.
Die Fahrkarten waren besorgt, wir standen auf dem Bahnsteig, und Craig schaute nervös auf die Menschenmassen.
Ich fragte nach dem Grund.
»Man beobachtet uns. Ja, ich spüre es, ich kann mir es nur nicht vorstellen, ich weiß es auch. Sie brauchen doch nur an den Jungen zu denken, der Sie umbringen wollte. Ich bin ihnen entwischt, und das können sie nicht vertragen. Sie belauern mich, sie ahnen, daß ich Gegenmaßnahmen treffen würde.« Er preßte die Lippen zusammen, als hätte er schon zuviel gesagt.
Sein Blick war ängstlich. Er schickte ihn auf Wanderschaft, immer wieder entlang des Bahnsteigs, denn er suchte in den Gesichtern der Reisenden.
Nichts wies auf eine Gefahr hin.
Äußerlich blieb alles ruhig…
Der übliche Betrieb. Das Hasten der Menschen, aber auch das Gegenteil. Müßiggänger, die sich am Bahnhof aufhielten und sich so die Zeit vertrieben.
Der Zug war bereits eingefahren. Die meisten Reisenden hatten ihn bestiegen. Viele waren es nicht.
Nicht einmal ein Drittel der Plätze würden besetzt sein.
»Sollen wir?«
Er schüttelte den Kopf. »Noch nicht, John, weil ich erst einmal schauen muß.«
»Sie werden keinen Gegner entdecken, Vincent. Sollte sich jemand an unsere Fersen geheftet haben, dann wird er sich kaum von uns erwischen lassen.«
»Meinen Sie?«
»Ja.« Ich mußte lauter sprechen, weil hinter uns ein Zug einlief, und Bremsen quietschten. Wir hatten für die erste Klasse gelöst. In ihrem Bereich hielten sich weniger Fahrgäste auf, er war also übersichtlicher.
Noch zwei Minuten.
Soviel ich erkennen konnte, stiegen nur noch wenige Personen ein. Craig ging vor dem Zug auf und ab. Immer wieder schaute er auch in die Wagen hinein, reckte sich dabei oder blickte sich um. Dabei hätte er beinahe den uniformierten Fahrdienstleiter umgerannt, im letzten Augenblick konnte dieser noch ausweichen.
Der Mann sprach Craig an, und dieser wich zwei Schritte zurück.
»Wenn Sie mitfahren wollen, Sir, dann sollten Sie jetzt einsteigen, sonst sehen Sie dem Zug nur hinterher.«
»Ja, natürlich.«
Ich winkte meinem Schützling. Er hatte jetzt mehr Furcht als am Morgen im Park. Wahrscheinlich trug ich daran auch die Schuld. Schließlich hatte ihn mein Bericht über den Mordanschlag aufgeputscht. Ich war gespannt darauf, ob alles stimmte, und ich war auch gespannt auf den geheimnisvollen Destroyer.
Ich schob Vincent Craig förmlich die Stufen hoch und dann in den
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