073 - Der Gehenkte von Dartmoor
wissen!«
»Mich
beschäftigen noch zwei andere Dinge«, antwortete Larry Brent. »Erstens: Alles
lag voll von unberührtem Staub. Wo halten die sich eigentlich auf, wenn sie
hier draußen sind?
Und gestern
abend war auch Sir Charles dabei.«
»Und
zweitens?«
»Glauben Sie,
daß die zu Fuß von Parkinson Hall hierhergelaufen sind? Bestimmt nicht!
Aber haben
Sie ein Auto gesehen? Ich nicht. Wo ist es?«
Der
Chiefinspektor wollte etwas sagen, als ihm das Wort im Mund steckenblieb. Larry
Brent trat auf die Bremse und hielt. Beide lauschten mit angespannten Sinnen.
Sie hatten
einen schrecklichen Schrei gehört, einen Todesschrei! Irgendwo aus der Ferne.
Kam er von
dem bereits entfernt liegenden Bahnhof? Kam er aus dem einsamen Moor? Kam er
aus der Tiefe der Erde?
Sie wußten
keine Antwort.
Der zweite
Bahnhof lag in einer breiten Senke zwischen zwei Hügelketten. Man erkannte hier
genau, warum die frühere Bahnlinie den großen Bogen nach Norden gemacht hatte.
Sie hatte sich dem Gelände anpassen müssen.
Vom Bahnhof
aus mußte man Larrys Wagen schon von weitem kommen sehen. Im Gegensatz zum
ersten war dieser beinahe eine Ruine. Das Dach des Stationsgebäudes wies große
Löcher auf, die meisten Fenster waren nur noch leere Höhlen, und die Tür hing
schräg in ihren Angeln.
Sie hielten,
stiegen aus und gingen auf das Gebäude zu. Abrupt stoppte Larry Brent den
Chiefinspektor am Arm.
»Vorsicht,
der Bahnhof ist alles andere als unbewohnt! Sehen Sie die Fußspuren im Sand?«
Higgins nickte.
»Das sieht
sogar so aus, als wäre hier irgendeine Formation in den Bahnhof hinein- und
wieder herausmarschiert.«
Sie betraten
die Schalterhalle. Sie ähnelte der im ersten Bahnhof wie ein Ei dem anderen.
Mit einem
Unterschied: Hinter dem ersten Fahrkartenschalter saß ein Mann und sah sie
durch die zersprungene Glasscheibe unverwandt an.
Es war
Sylvester Sarg!
Sein dicker
Froschmund verzog sich zu einem Grinsen:
»Fahrkarten
nach Princetown sind leider ausverkauft. Sonst hätte ich Ihnen gern eine zum halben
Preis überlassen, Chiefinspektor!«
Higgins
verzog sein Gesicht zu einer spöttischen Miene: »Sie wissen, Mr. Sarg, daß wir
gar keine Fahrkarte brauchen. Dafür würden wir Sie gern auf Staatskosten,
gratis, nach Princetown befördern!«
Der andere
grinste noch stärker.
»Sie wissen
so gut wie ich, Chiefinspektor, daß gegen mich nichts vorliegt. Ich bin ein
freier, unbescholtener Bürger…«
»… der sich
im Augenblick unerlaubt auf einem Privatgrundstück aufhält. Und verlassen Sie
sich darauf, wir finden genug gegen Sie! Aber das Wann und Wo entscheiden wir,
nicht Sie.
Und von Ihrer
Leibwache brauchen wir gar nicht erst zu reden. Damit könnten wir halb
Princetown füllen.«
»Vorsicht,
verehrter Chiefinspektor! Sie werden den Platz in Princetown noch gut
anderweitig brauchen. Darauf können Sie sich verlassen.«
»Und jetzt
möchten wir uns mal den Bahnhof ansehen. Man hat uns dazu die Erlaubnis
gegeben.« Sylvester Sarg schüttelte seinen dicken, häßlichen Kopf: »Aber nicht
ich, Chiefinspektor.
Ach, Mr.
Brent, Sie scheinen mir ein ganz vernünftiger Mann zu sein. Reden Sie das dem
Chiefinspektor doch lieber aus! Wir werden ihn nämlich auf keinen Fall durch
den Bahnhof spazieren lassen. Und wenn Sie es nicht glauben, dann drehen Sie
sich freundlicherweise mal zur anderen Seite um!«
Larry Brent
und Higgins wandten den Kopf. An der Tür zum Wartesaal waren lautlos vier
Männer erschienen. Zwei hatten die Arme lässig über der Brust verschränkt, der
dritte kratzte sich nachdenklich am Kinn; der vierte beschaute seine
Fingernägel. Diese gespielte Gleichgültigkeit konnte sich innerhalb einer
Sekunde in eine wütende Attacke verwandeln.
»Ich drohe
nicht«, erklärte Sylvester Sarg mit abwehrend erhobenen Händen, »wirklich
nicht, das liegt mir fern. Aber zur Zeit bin ich hier der Hausherr. Kraft
Okkupation, wie man es, glaube ich, nennt. Ich habe den Bahnhof besetzt.
Niemand darf ihn ohne mein Einverständnis betreten, und wir weichen nur der
Gewalt! Oder anders ausgedrückt, man muß vorher riskieren, uns umzubringen. Das
ist die Lage!«
»Und warum
haben Sie den Bahnhof, der nicht Ihr Eigentum ist, besetzt?«
Das Grinsen
verschwand.
»Es mag aus
meinem Mund vielleicht komisch für Sie klingen, Chiefinspektor. Aber es ist mir
ernst mit dem, was ich sage. Ich habe hier eine Mission zu erfüllen. Ich
schlage Ihnen einen Waffenstillstand von 48 Stunden vor, von diesem Augenblick
an
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