0731 - Die Blüten-Bestie
Wagen. Ein Kollege war zurückgeblieben. Er grüßte, als wir den BMW verließen. Die Nachbarn rückten neugierig näher. Zwei von ihnen hielten Weinflaschen in den Händen und sahen leicht angetrunken aus.
»Man erwartet Sie beide.«
»Danke.«
Wir gingen ins Haus. Es war hell erleuchtet und wirkte in der Dunkelheit wie eine Insel.
Das Ehepaar McGrath fanden wir im Wohnraum. Beide saßen auf der Couch. Betty McGrath hatte einen Arm um die Schultern ihres Mannes gelegt. Um den Hals des Mannes lag ein Tuch. McGrath trank Wasser. Immer wieder faßte er an seine Kehle.
Zwei Beamte waren bei ihnen. Sie kannten uns und machten schweigend Platz, so daß wir uns zu dem Ehepaar setzen konnten. Ich wollte mich vorstellen, McGrath ließ es nicht dazu kommen, er winkte ab.
»Ich kenne Sie«, sagte er mit rauher Flüsterstimme. »Auch als nicht mehr Aktiver ist man doch über einiges noch informiert, Mr. Sinclair.«
»Gut.«
Betty McGrath dagegen kannte mich nicht. Ihr Mann stellte uns vor. Sie nickte und zog dabei den Bademantel enger um ihren Körper zusammen. In den Augen lag noch immer der Ausdruck der Angst. Sie schaute sich sehr oft im Raum um, als könnten jeden Augenblick wieder die Killer aus irgendwelchen Ecken erscheinen.
»Jetzt wollen Sie wissen, was geschehen ist, wie?« fragte der ehemalige Polizist.
»Sicher.«
»Ich kenne ja die Regeln selbst.« Er trank wieder einen Schluck. »Und ich muß Ihnen sagen, daß wir beide sehr, sehr großes Glück gehabt haben.«
»Das glaube ich Ihnen. Wir jagen diese Frau.«
»Frau?« rief Betty. »Nein, das ist keine Frau, das ist eine Bestie, eine verfluchte Bestie. Das ist doch kein Mensch mehr. Wissen Sie, wie sie aussah…«
»Betty, ich bitte dich. Laß mich erzählen.«
»Aber deine Stimme…«
»Das wird schon klappen.«
»Gut, wie du willst.«
George McGrath schaute für einen Moment auf seine Füße. Er sammelte sich, und wenig später begann er mit seinem Bericht. Wir erfuhren alles, und oft genug schauderte er bei seinen eigenen Worten zusammen. Dann legte ihm Betty jedesmal tröstend eine Hand auf den Arm. Die lange Zeit im Polizeidienst hatte sich bezahlt gemacht. Trotz der Streßlage, in der sich McGrath befunden hatte, gab er uns eine ausgezeichnete Beschreibung der Dorothy Mainland. Er berichtete auch, wohin sie schließlich verschwand und daß wir kaum eine Chance hatten, sie zu finden.
»Aber eines, Mr. Sinclair und Mr. Suko, das begreife ich auch jetzt noch nicht. Warum ich und gerade jetzt?«
»Es gibt einen Grund«, sagte Suko. »Doch ich muß vorn anfangen. Es ist schon lange her. Mehr als zwanzig Jahre, Mr. McGrath. Sie waren damals derjenige, der den Einsatz leitete gegen Shagri, einen Guru aus der Flower-Power-Zeit.«
Seine Blicke schienen in der Erinnerung zu versinken, er strengte sich an, senkte den Kopf und nickte dann.
»Wissen Sie es?«
Er winkte mit der Hand. »Ja, ich erinnere mich.«
Er bekam von mir noch eine Hilfestellung. »Es sind damals Menschen gestorben. Dieser Guru wollte all seine Jünger in den Selbstmord treiben und dabei zuschauen. Zwei haben es getan, dann kam der Einsatz…«
»Ja!« Plötzlich konnte er laut sprechen. »Wir haben ihn erschossen.«
»Richtig.«
»Und dann war da dieses Mädchen. Es fiel mir erst später auf, weil es in ein Koma hineinglitt und aus diesem Zustand zunächst einmal nicht erwachte.«
»Genau zweiundzwanzig Jahre«, sagte Suko.
McGrath hob seine Arme und preßte die Handflächen gegen die Wangen. »0 Gott«, stöhnte er, »das Mädchen. Die… die Mörderin, die heute nacht zu uns kam, sah so aus. Ja, ich erinnere mich wieder. Ich habe sie damals sogar am Krankenbett besucht. Und nun…«
»Sie sah nicht nur so aus, Mr. McGrath«, sagte Suko. »Sie war es. Dorothy Mainland ist aus ihrem Koma erwacht und auf ihre persönliche Rachetour gegangen. Sie hat nichts vergessen. Die Bindung an den Guru ist einfach zu stark gewesen.«
»Nein, nein!«
»Wieso nicht?«
»Das geht nicht, Suko. Sie ist um zweiundzwanzig Jahre älter geworden, aber sie sah so aus wie früher.«
»Stimmt.« Diesmal sprach ich. »Ihr Alterungsprozeß wurde gestoppt.«
»So weit ist die Wissenschaft noch nicht.«
»Aber die Magie. Die Kraft eines toten Gurus. Wir haben seinen Körper vernichten können, nicht aber seinen Geist. Ich rechne fest damit, daß seine Seele eine Wanderung hinter sich hat. Sie ist in den Körper des Mädchens eingedrungen. Sie hat jetzt von Dorothy Mainland Besitz ergriffen,
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