0732 - Aufstand der Immunen
Er strich mit einer knappen, dennoch geziert wirkenden Geste über sein nackenlanges Haar. Der Mann, nicht ganz einhundertvier Jahre alt, war groß und schlank, und Wort und Gestik drückten aus, was man in früheren Zeiten als aristokratisch bezeichnet hätte.
„Ja, kurz. Ich hatte an sich erwartet, Reginald Bull und seine Abordnung hier zu finden. Ich wollte mir Direktiven holen, was die beiden Immunen oder Kranken betrifft."
Casalle war in der frankokanadischen Region Terras geboren und ganze vierundfünfzig Jahre alt. Trotz seiner Jugend Vizeadmiral -das sprach für seinen Verstand, für seine Wirkung auf andere und für seine Fähigkeit, selbst aus der verfahrensten Situation das Beste zu machen. Sein kurzgeschnittenes Haar über den großen, freundlichbraunen Augen, seine aufrechte Haltung und sein sportliches Auftreten, dazu die körperliche Größe machten ihn nahezu unwiderstehlich. Dieser Mann war Admiral Hodj suspekt, denn er dachte. In Wirklichkeit war Casalle einer der besten und schnellsten Denker der Flotte, ein Offizier von höchsten Qualitäten. Dies alles ging Hodj durch den Kopf, als Casalle auf ihn zuging, neben ihm stehenblieb und auf den Raumhafen hinaussah.
„Kann ich Ihnen die Direktiven nicht geben?" fragte Hodj.
Casalle warf ihm einen kurzen, strengen Blick zu. Hodj war nicht nur in seinen Augen ein „Flüchter".
„Ich ziehe es vor, sie direkt von Bull zu erhalten!" war die ruhige Antwort, frei von unlogischen Emotionen.
„Auch gut. Warten wir also weiter!"
„Was sonst."
Es gab, dachte Casalle, an Bord der BEAUTY genügend Gelegenheiten, sich aus dem Weg zu gehen. Es war nicht so, daß er Hodj nicht mochte. Beide Männer waren so verschieden, daß sie kaum eine gemeinsame Basis fanden außer der Tatsache, daß sie gute Raumfahrer waren.
Schweigend und konzentriert überdachte Trevor Casalle noch einmal die Mission.
Er wußte schon jetzt, daß die Tausende von Truppen, Raumfahrern und Pionieren in den achtunddreißig Schiffen sein Instrument waren. Mit ihnen und mit Hilfe der Mission würde er es schaffen, etwas für die Sache der „Standhaften" herauszuholen.
Die eigentliche Gefahr war der Ausgangspunkt.
Sie war fast jedermann auf Terra und Luna bekannt, auch auf Goshmos-Castle. Wenn keine dramatischen Maßnahmen getroffen wurden, dann würden die Planeten und ihre Sonnen in einigen Jahren im Schlund verschwunden sein. Was immer dadurch geschah, es würde fürchterlich sein. Ein einzelnes Leben galt nicht viel, tausend Tote waren eine statistische Zahl, aber Luna, Terra und Castle würden verändert werden. Und eine zweite Gefahr drohte: die Herrschaft der Logik und Vernunft, endlich erreicht, würde gebrochen werden. Dieser Aspekt war Trevor Casalle wichtiger als seine Karriere und nur um ein weniges unwichtiger als sein Leben, das er, seinen weitgespannten Möglichkeiten entsprechend, genoß. Jedenfalls glaubte er es zu genießen.
Wenn er nur den Kopf drehte und seinen Blick von der Perlenschnur der Schiffe nahm und Hodj ansah, dann wußte er, daß die Spannungen sich in diesem Raum kondensierten.
Jeder von ihnen war ein Vertreter einer anderen Richtung. Der alte Mann neben ihm war einer von denen, die ihr Heil in der Flucht sahen.
Es gab Liebenswürdigkeit nicht mehr, eine sinnlose Regung.
Trotzdem schien Hodj einlenken zu wollen. Er deutete auf den eingebauten Barschrank und fragte: „Möchten Sie etwas zu trinken, Trevor?"
Ich werde mit ihm unbestimmte Zeit lang auskommen müssen.
Ich brauche ihn und werde ihn beeinflussen müssen. Er ist wichtig für mich. Man kann eine Treppe nur über einzelne Stufen aufwärts beschreiten, dachte Trevor. Er sagte ruhig und höflich: „Ja, danke. Eis mit Tonica."
„Nichts Alkoholisches?"
„Nicht jetzt. Ich bin im Dienst."
Hodj ging zur Bar, öffnete sie, wählte auf einigen Tasten und kam dann mit zwei Gläsern zurück. In seinem Glas leuchtete bernsteinfarbener Whisky. Er hob das Glas.
„Wir haben eine schwierige Mission vor uns. Hoffentlich findet jeder, was er sucht."
„Ich bin sicher, Admiral, daß wir auch finden, was wir nicht suchen."
„Dies ist das Risiko. Ich liebe Risiken dieser Art nicht, deswegen bin ich etwas unruhig."
„Verständlich. Ich bin noch nicht reif genug, um Ihre Haltung verstehen zu können."
Überrascht starrte der grauhaarige Mann ihn an. Er vermutete einen Angriff des jungen Vizeadmirals, aber keinerlei Zeichen deuteten darauf hin, daß Casalle seine, Hodjs, Autorität nicht
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