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0732 - Monsterklauen

0732 - Monsterklauen

Titel: 0732 - Monsterklauen
Autoren: W.K. Giesa
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damals gewusst hätte, was auf mich zu kam, als du mich als Sekretärin engagiert hast, hätte ich glatt ›nein‹ gesagt…«
    »Nur gut, dass es im Lateinischen die Wörter ›ja‹ und ›nein‹ nicht gibt«, stellte Uschi fest. »Sonst würde Zamorra dazu jetzt auch noch was einfallen.«
    »Oh, ihr kennt euch in dieser wunderschönen toten Apotheker- und Pastorensprache aus?«, staunte Zamorra.
    »Schon vergessen, daß wir auch studiert haben?«, erinnerte Monica. »Und sogar etwas Sinnvolles - Sozialpädagogik, statt so einen Humbug wie Parapsychologie.«
    Ein Riegel schnarrte.
    »Ich glaube«, sagte Nicole, »Shado ist mit seinem Zwiegespräch mit Kanaula fertig.«
    ***
    T’Carra erreichte Julians Organhauses lag an ihrem Weg -, aber der Träumer war nicht daheim. Also befand er sich wohl bei den Lebensbäumen.
    Das Schmetterlingsmädchen ging weiter.
    Und entdeckte Julian!
    Er lag zwischen den Bäumen. Verkrampft, reglos. Im ersten Moment fürchtete T'Carra, er sei tot.
    Aber er lebte. Er atmete.
    »Wach auf«, rief sie ihm zu, rüttelte ihn. Seine Augen blieben geschlossen. Als T'Carra eines seiner Lider hochzog, sah sie, dass die Pupille nach hinten gedreht war wie bei einem Schlafenden. Aber das war kein normaler Schlaf! Daraus wäre er bereits erwacht!
    Es war etwas anderes, unheimliches.
    T'Carra sah auf.
    Sie sah die Bäume.
    Und begriff in diesem Moment, woher ihre Sorge kam, das ungute Gefühl, das in ihr immer starker geworden war.
    Und doch war sie in diesem Moment unfähig, zu begreifen…
    ***
    Shado gab sich der Traumzeit hin. Natürlich hatte er nach Zamorras Anruf nicht wieder geschlafen, sondern sich vorbereitet. Er bemalte seinen Körper mit den rituellen Farben.
    Gerade noch rechtzeitig wurde er fertig. Er schaffte es eben noch, einen Hausmantel überzuziehen, als der Besuch eintraf.
    Nachdem er die vier erst mal wieder hinauskomplimentiert hatte, begann er mit dem vorbereiteten Ritual. Die kleine Wohnung war weitgehend schalldicht, und von seinem Tanz und seinem Gesang drang kaum etwas zu den Nachbarn durch. Sonst hätte er auch schon längst die Kündigung bekommen. Den Weißen passte es ohnehin nicht, dass ein Ureinwohner in ihrer Nachbarschaft hauste. Ihn rettete praktisch nur seine Integrationsfähigkeit, sein Anpassen an die Kultur der Weißen - oder an das, was sie Kultur nannten, während sie zuschauten, wie die wahre Kultur der Ureinwohner allmählich am Alkohol zerbrach.
    Ohne seine gehobene Anstellung in einer Firma der Weißburschen und ohne sein äußerst gepflegtes Auftreten hätte er in diesem Haus ziemlich schlechte Karten. Sicher, anderswo gelang es den Äborigines inzwischen, ihre Rechte durchzusetzen und auch auf dem politischen Parkett aufzutreten, aber das änderte nichts an Vorurteilen, zumal das Bild der »Australneger«, in der australischen Öffentlichkeit immer noch das der Unterprivilegierten war…
    Auch intensive Medienarbeit konnte das nicht innerhalb weniger Jahre ändern. Damals, als die ersten Weißen - englische Sträflinge und ihre Bewacher - dieses große Land besiedelten, waren die Ureinwohner noch als Tiere gejagt und abgeschossen worden. Mancher Kolonist stellte sich einen oder mehrere ausgestopfte »haarlose Affen«, als Jagdtrophäe ins Wohnzimmer, wie anderswo einen erlegten Wolf oder Bären oder Hirsch!
    Das lag zwar alles sehr lange zurück, aber in der Traumzeit war es immer.
    Als der Yolngu begann, den Regenbogenmann zu rufen, hatte er damit gerechnet, dass es lange Zeit dauern würde. Er sang sich in die Traumzeit, um Kanaula darin zu treffen und seinen Rat zu erbitten, aber wiederum zeigte sich die Zeitlosigkeit der Schöpfung, die war und ist und sein wird zugleich. Er sah den Regenbogenmann, und Kanaula wusste, was Shado ihn fragen wollte, denn die Frage war und ist und würde sein, und er antwortete seinem Schützling, indem er ihm eine Geschichte erzählte, eine uralte Geschichte vom Anfang der Schöpfung und allen Seins. Er sprach von Träumen, die Wirklichkeit waren, und von Wegen, durch die Träume etwas zu erschaffen, er sprach aber auch von der Gefahr, die davon ausging für Wesen, die zu schwach waren, fest zu halten, was sie erschufen.
    Manchmal, sang Kanaula, ist der Traum mächtiger als der Träumer: Und manchmal existiert ein Traum in einem Traum, und noch seltener ein Traum in einem Traum in einem Traum. Aber die Traumzeit kann diese Träume miteinander verschmelzen. Gib jenem, der als Traum in einem Traum, sein will, einen
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