0732 - Schattenreiter
mißtrauisch werden müssen. »Sie haben mich zwar gebeten zu gehen, und ich werde auch verschwinden, doch ich möchte mich noch mit Ihnen unterhalten, weil ich gewisse Dinge klarstellen will.«
Wieder zeigte sich die Frau sehr arrogant. »Ich wüßte nicht, was wir zu besprechen hätten.«
»Es geht um das Hotel.« Ich nickte in die Richtung des alten Gemäuers. Hinter einigen Fenstern schimmerte jetzt Licht. Bill und Suko mußten es eingeschaltet haben.
»Hören Sie, Mr. Sinclair. Ich habe mich durch den verdammten Nebel sowieso verspätet und möchte Ihnen raten, von hier zu verschwinden. Ich habe hier das Hausrecht. Es gibt überhaupt nichts, was uns beide da noch verbinden könnte.«
»Sie reden wie jemand, der etwas zu verbergen hat.«
»Unsinn.«
»Es geht um das Haus.«
»Das noch renoviert wird, Mr. Sinclair.«
»Was aber nichts mit seiner Vergangenheit zu tun hat.«
Die letzte Bemerkung hatte Fabienne Stone die Schlagfertigkeit genommen. Sie dachte erst einmal nach und erkundigte sich dann, wie ich es gemeint hatte. »Das will ich Ihnen sagen. Die Vergangenheit kann oft sehr wertvoll, aber auch ein schlimmes Erbe sein, Miß Stone. Ich weiß das, ich habe meine Erfahrungen.«
»Sind Sie Historiker?«
»So ähnlich.«
»Dann können wir uns ja die Hand reichen, Kollege. Nur daß ich Ihnen diese Berufsbezeichnung nicht abnehme. Für mich haben Sie schlichtweg gelogen.«
»Wie kommen Sie darauf?«
Fabienne lächelte siegessicher. »Haben Sie schon mal den Begriff Stallgeruch gehört?«
»Natürlich.«
»Den haben Sie, wobei ich zugebe, daß Sie einen ganz bestimmten Stallgeruch haben.«
»Tatsächlich? Welchen denn?«
»Polizist, Mr. Sinclair. Sie riechen so wie ein Polizist, der hier nichts zu suchen hat. Ich habe den Artisten erlaubt, im Innenhof des Schlosses zu überwintern. Es ist nichts dabei. Einige von ihnen arbeiten sogar für mich, renovieren das Schloß. Sie alle haben gültige Visa, es gibt für Sie also nichts zu schnüffeln.«
»Glauben Sie denn, daß es mir einzig und allein um die Zirkusleute geht, Miß Stone?«
»Um was sonst?«
Ich zeigte an ihr vorbei. »Um dieses Schloß und dessen Vergangenheit. Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Zudem interessiert mich ein ganz bestimmtes Kapitel.«
»Ach ja? Welches denn?«
»Kein historisches, ein mehr magisches.«
Ich hatte einen wunden Punkt getroffen, denn sie zuckte leicht zusammen. Trotzdem versuchte sie einen Protest. »Was soll das? Glauben Sie etwa an Magie?«
»Sicher.«
Sie blies die Wangen auf und tat so, als wollte sie mich auslachen. Soeben noch konnte sie sich beherrschen. »Das ist doch Quatsch, das ist der reinste Unsinn. Ein Polizist, der an Magie glaubt. Finden Sie das nicht selbst lächerlich?«
»Kaum.«
»Dann kann ich Ihnen nicht helfen.«
»Ich glaube sogar an die Magie der Schatten, Miß Stone. Können Sie damit etwas anfangen?«
Sie duckte sich. Dann wirbelte sie ihr Haar zurück. »Sie sind verrückt, Mister, einfach übergeschnappt. Magie der Schatten! Was reden Sie da für einen Unsinn!«
»Das ist es nicht.«
»Dann beweisen Sie, daß es so etwas gibt.«
»Deshalb bin ich hier.«
Fabienne Stone sagte nichts. Ich merkte aber, daß sie unsicher geworden war. Einige Male biß sie sich auf die Lippen, bis sie zu einem Entschluß gekommen war, der mir allerdings nicht weiterhalf.
»Es gibt keine Schatten, die magisch sind. Die Schatten, die ich kenne, sind allein die der Nacht.«
»Darf ich Sie vom Gegenteil überzeugen?«
»Nein!« Abrupt machte sie kehrt.
»Wo wollen Sie hin?«
Nach wenigen Schritten blieb die Frau stehen, drückte ihren Rücken durch und holte tief Luft. »In mein Zimmer will ich. Es ist bereits fertig. Ich wohne schon im Schloß.«
»Dann weiß ich ja, wo ich Sie finden kann.«
Scharf machte sie kehrt. »Sie, Sinclair, werden das Schloß nicht betreten!«
»Wer sollte mich daran hindern? Sie etwa?«
Ich bekam keine Antwort. Für diese Person war ich gestorben. Abermals vollzog sie eine Kehrtwendung und lief auf das Portal zu. Sie ging nicht schnell, sondern wie jemand, der darauf wartete, daß er möglicherweise noch einmal zurückgerufen wird und deshalb seine Schritte ziemlich zögernd setzt.
Den Gefallen tat ich ihr nicht. Ich wollte mich auch nicht von ihr aussperren lassen. Wenn ich es für ratsam hielt, das Schloß zu betreten, dann würde ich es auch tun.
Noch eine andere Person erschien. Ich hörte Geräusche aus dem Bereich der abgestellten Wohnwagen.
Weitere Kostenlose Bücher