0734 - Dem Wahnsinn nahe
einsam und von allen verlassen?
Und dann hörte ich die ferne Musik…
***
Zuerst hatte sich Suko im Hintergrund aufgehalten. Er konnte nicht sagen, warum er das getan hatte, er war einfach seinem Gefühl gefolgt. Vielleicht lag es daran, daß er einfach nicht sehen konnte, wie sein Freund John Sinclair auf der Liege lag und von einem anderen Menschen beherrscht wurde.
Das war nicht mehr der John Sinclair, den er kannte. Das war nur noch eine körperliche Hülle ohne Leben.
Er war so weit weg…
Suko schwitzte, was nicht allein an den beiden Scheinwerfern lag, auch innerlich stieg die Hitze in ihm hoch, jedoch begleitet von leichten Kälteschauern, so daß es bei ihm beinahe zu einem Schüttelfrost kam.
Er hatte Angst um John.
Nicht Hugo Westlake. Er hatte seinen Platz nicht verlassen. Er hielt nach wie vor den Bernstein fest, schaute klar und sicher in das Gesicht des Geisterjägers, das so schrecklich blaß geworden war und auf dem die Schweißtropfen wie kleine Perlen lagen.
Noch sprach Hugo mit ihm.
Noch bekam er Antworten.
Suko horchte besonders auf den Klang der Stimme seines Freundes. Hatte sie sich verändert, drang die drückende Furcht hindurch? Sprach sie von Leiden, von Qual, von Angst und Bedrückung?
Nein, eigentlich nicht. Sie hörte sich sehr normal an, wenn auch monoton, das aber mußte so sein.
Insgeheim mußte Suko Hugo Westlake Abbitte leisten. Er war davon ausgegangen, daß es dieser Mann nicht schaffen würde, daß er überfordert war, aber er hatte sich getäuscht, und darüber war er froh. Es schien doch nicht so schlimm zu werden, wie er befürchtet hatte.
Allerdings wünschte er sich trotz allem nicht, an seiner Stelle zu sein.
So groß Sukos Neugierde auch war, in manche Geheimnisse wollte er lieber nicht eindringen.
Trotz allem sah er sich selbst noch als einen Störenfried an. Deshalb hielt er sich auch im Hintergrund. Er dachte zudem an die gefährliche Hand und konnte sich durchaus vorstellen, daß sie nicht das einzige Teil gewesen war, das in der Dunkelheit des Theaters lauerte.
Mit möglichst leisen Schritten bewegte er sich auf den Bühnenrand zu. Nicht immer gelang es ihm, leise zu sein, oft genug zerknirschten kleine Scherben unter seinen Füßen. Er hoffte nur, daß die Geräusche Mister Mirakel nicht in seiner Konzentration störten, denn irgendwie war dieser Mann zu bewundern.
Suko ging weiter.
Erst dicht vor dem Bühnenrand blieb er stehen und schaute in die Finsternis des Zuschauerraums.
Er war leer, er war düster. Er roch, er atmete aus, als säßen die letzten Personen der Vorstellung noch dort als Unsichtbare, die alles sehen wollten, was sich auf der Bühne abspielte.
Suko fühlte sich unwohl.
Er holte seine Lampe hervor und strahlte in den Zuschauerraum hinein. Der Kegel glitt über den Cord der Sitze hinweg, tanzte dann an den Seitenwänden entlang, fuhr auch über den Boden rechts und links der Sitzreihen hinweg und warf zudem zuckende Reflexe an die Decke, wo er aussah wie der Schweif eines Kometen.
Nichts zu sehen.
Kein Mensch, kein Monster, kein Veränderter. Der Zuschauerraum war eingepackt in eine bedrückende Stille.
Suko löschte das Licht. Sein ungutes Gefühl hatte auch das Nachforschen nicht vertreiben können.
Bisher war alles glattgegangen, einfach zu glatt, wenn man bedachte, was zuvor geschehen war.
Hatte sich das Grauen zurückgezogen? Hatte die andere Kraft eingesehen, daß sie nichts mehr erreichen konnte?
Daran wollte Suko nicht glauben. Er hatte seinen Blick wieder nach vorn gerichtet, wo die Scheinwerfer von zwei verschiedenen Seiten her den Mittelpunkt erhellten, in dem sich die Akteure aufhielten. Suko kam es vor, als wohnte er einer Operation bei, denn es gab einfach nur diesen einen Mittelpunkt.
Noch immer machte das grelle Licht den Bernstein zu einer reflektierenden Sonne.
Man sagte ihm mystische Kräfte nach. Ob es stimmte, wußte Suko nicht. Die Hypnose hätte auch ebensogut durch ein Pendel ausgeführt werden können.
Er ging wieder zurück.
Leise und auf Zehenspitzen, denn er wollte Mister Mirakel nicht stören.
Der aber sagte nichts, was Suko wunderte und so etwas wie Mißtrauen in ihm hochkeimen ließ. Als er näher kam, sah er, daß Westlake seine Haltung verändert hatte. Er saß nicht mehr so entspannt auf der Liege, sondern leicht nach vorn gebeugt und machte den Eindruck eines Mannes, dessen Plan sich nicht erfüllt hatte.
Suko wollte nicht stören, obwohl ihm zahlreiche Fragen auf der Zunge
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