0734 - Dem Wahnsinn nahe
klar, daß ich dieses Rad in Bewegung gesetzt habe und praktisch gezwungen bin, darauf aufzuspringen. Ich glaube nicht, daß ich das Teleporting beherrsche, so etwas hätte ich längst bemerkt, aber ich will versuchen, meinen Geist auf die Reise zu schicken, um den Ihres Freundes zu treffen. Nicht mehr und nicht weniger. Das bin ich mir einfach schuldig, denn ich habe Sie letztendlich in diese Lage hineingebracht.«
»Danke sehr, Mr. Westlake.«
Der Illusionist winkte ab. »Wofür wollen Sie mir danken? Ich sehe es als meine Pflicht an.«
»Gut, dann…«
»Bitte, sagen Sie nichts mehr. Treten Sie am besten zurück. Halten Sie sich im Dunkeln auf. Von dort können Sie uns beide ja auch sehen. Und drücken Sie mir die Daumen.«
»Das werde ich!«
Suko hätte sich am liebsten selbst hypnotisieren lassen, aber von diesem Plan wich er ab. Es lag nicht daran, daß er feige gewesen wäre, er wußte einfach, daß er hier auf der Bühne bleiben mußte, daß er die Kontrolle nicht verlieren durfte. Wenn er auch verschwand, dann glaubte er, daß der Weg versperrt war.
Der Illusionist stellte sich neben die Liege. Er hatte sich so gedreht, daß er Suko sein Profil zuwandte. Das Gesicht des Mannes glich einem Kopf aus Stein. Er schaute nach vorn, dennoch sah es so aus, als wäre sein Blick ins Leere gerichtet. Die Lippen hielt er fest zusammengepreßt, er atmete ausschließlich durch die Nase und bewegte noch unruhig seine Hände.
Suko wartete.
Sein Blick pendelte zwischen John Sinclair und Hugo Westlake hin und her.
Noch war John nicht verschwunden, und er hoffte, daß es so blieb. Er hoffte auch, daß es Mister Mirakel gelang, irgendwann einmal wieder den Kontakt zu ihm herzustellen, um John aus diesem Zustand der ›Abwesenheit‹ zu erlösen.
Die Zeit glitt dahin. Sekunden kamen Suko schwer vor, als würden sie wie Bleitropfen fallen. Hin und wieder zuckte die Haut an seiner Stirn und an den Wangen. Manchmal durchfuhr ihn ein ungewöhnliches Rieseln, das sich sogar bis hinein in den Kopf fortsetzte.
Mister Mirakel bewegte sich nicht. Er hatte den rechten Arm vorgestreckt und den Stein auf seine Handfläche gelegt, damit dieser auch ihm den Weg wies. Über ihn wollte er sich in Trance versetzen, um seinen Geist wieder auf die Reise zu schicken.
Suko empfand diese Tat als ehrenwert, denn die Risiken waren überhaupt nicht einzuschätzen. Es konnte durchaus sein, daß er in Strömungen hineingeriet, die stärker waren als seine Kraft und ihn dabei manipulierten.
Das mußte auch John so ergangen sein, denn nicht ohne Grund hatte Westlake den Kontakt zu ihm verloren. Die andere Seite, wer immer sie auch war, zeigte ihre brutale Macht.
Zunächst tat sich nichts.
Die Stille nahm zu, denn Westlakes Atemzüge verloren an Lautstärke und wurden immer leiser. Sie versickerten schließlich auf der Bühne, und Suko kam sich vor wie in einem Schattenkabinett.
Der Bernstein, dem mystische Kräfte nachgesagt wurden, glänzte und schimmerte. Er brach das Scheinwerferlicht. Dabei sah er aus, als wäre er dabei, sich aufzulösen und in unzählige kleine Teile zu zerfallen, die in alle Richtungen wegzischten.
Manchmal warf er sein Licht auch über das Gesicht des Illusionisten. Dann veränderte sich das Aussehen, dann huschten dünne Farben über die Haut hinweg und sahen aus, als wollten sie diese von den Knochen ablösen.
Tief war die Trance. Der Mann schien dabei selbst zusammenzusinken und zu einem Häufchen Elend zu werden. Er kam Suko viel kleiner vor, er wurde sogar schmaler, und sein Gesicht sah aus wie das kantige Profil einer Malerei.
Tiefer, immer tiefer sank er.
Suko schaute wieder auf John Sinclair.
Er lag noch auf der Liege. Bei ihm rührte sich nichts. In tiefster Hypnose war er gefangen. Suko ging davon aus, daß sich sein Geist gelöst hatte, und er stellte sich die Frage, wo er jetzt wohl war.
Was erlebte John? Welche Informationen brachte er von seiner Reise mit, um sie in seinem Gehirn zu speichern?
Nicht daß Suko auf Johns Reise neidisch gewesen wäre, aber er hätte doch gern mehr darüber erfahren.
Die Stille senkte sich über den Raum. Sie lastete, sie drückte, sie war da wie ein Geist.
Die Luft schien noch dicker geworden zu sein und war dementsprechend schwerer zu atmen.
Dann der Aufschrei!
So plötzlich, daß Suko nicht einmal mitbekam, wer ihn ausgestoßen hatte.
Aber keiner der beiden regte sich.
Und trotzdem geschah Unglaubliches.
Suko hörte eine ferne Flötenmusik, als würde Luft
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