0734 - Operation Gehirnwäsche
Zwischenzeit verloren sie die Entwicklung am oberen Talende nicht aus den Augen. Der Fortschritt dort oben ließ erwarten, daß die Anlage in vier bis fünf Tagen fertiggestellt sein werde. Vorher war mit dem Beginn der OPERATION GEHIRNWÄSCHE nicht zu rechnen.
Die einzige Handhabe, die Sylvia und Ranjit beim Beginn ihrer Suche nach Anhaltspunkten gehabt hatten, war eine Liste der Namen, die auf der von Leven Strout übermittelten Nachricht als Empfänger fungiert hatten. Die dazugehörigen Adressen lauteten zwar auf Delhi, Bombay, Karatschi, Lhasa und ähnliche Orte, aber man durfte mit einiger Sicherheit annehmen, daß einige dieser Leute inzwischen in Parkutta eingetroffen waren, um sich hier an der Leitung des Projekts zu beteiligen.
Der Ranghöchste auf der Liste war ein Mann namens Prakhut Sassar, seinem Titel nach ein „Regierungskommissar für besondere Angelegenheiten (GCSA)". Dieser Mann war der OGN vom Ansehen bekannt. Er zeichnete sich durch ungewöhnliche Körpergröße aus (2,17 m), war dabei füllig und breitschultrig gebaut, trug sein schwarzes Haar bis auf die Schultern herabfallend, was aphilischem Gebrauch ganz und gar widersprach, und zierte sich obendrein noch mit einem Vollbart, der ihm bis zur Brust herabreichte. Prakhut Sassar galt in Regierungskreisen als wichtiger Mann. Man hatte gehört, daß er gelegentlich zu Temperamentsausbrüchen neigte - ein Umstand, der die OGN vermuten ließ, daß es sich bei ihm nicht wirklich um einen Aphiliker, sondern in Wirklichkeit um einen Immunen handelte, der die Vorteile der Aphilie skrupellos für den eigenen Vorteil ausnützte.
Schon am zweiten Tag ihrer Nachforschungen waren Sylvia und Ranjit Gerüchte zu Ohren gekommen, wonach sich ein „ungewöhnlich großer Mann mit auffällig viel Haar" in der Stadt befand. Aber erst am vierten Tag bekamen sie den Mann zum ersten Mal zu Gesicht. Er verließ mit einer Gruppe von Begleitern das Gebäude der Stadthalle und bestieg ein bereitstehendes Gleitfahrzeug. Sylvia und Ranjit waren rasch bei der Hand, den Gleiter unauffällig zu verfolgen. Er fuhr nur wenige Straßenzüge weit und hielt vor dem einzigen größeren Hotel dieser Stadt, dem einstigen „Star of Pradesh", das mittlerweile in „Reason and Realism" umbenannt worden war. Der bärtige Riese, den Sylvia mittlerweile eindeutig als Prakhut Sassar identifiziert hatte, stieg dort mit seinem Gefolge aus.
Sylvia wurmte diese Entdeckung, mehr, als daß sie sie freute.
Denn sie hatte in den vergangenen Tagen das „Reason and Realism" stundenlang beobachtet, ohne auch nur einen einzigen Menschen zu sehen, der durch sein Aussehen oder Gehabe darauf hingewiesen hätte, daß er Regierungsbeauftragter war.
Sie fuhr mit Ranjit ,nach Hause". Dort berieten sie über ihr weiteres Vorgehen.
„Sassar ist ein Immuner, nicht wahr?" fragte Ranjit.
„So behauptet man. Mit Sicherheit weiß das niemand."
„Gesetzt den Fall, es wäre wahr ...", sagte Ranjit, ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen und blickte Sylvia vieldeutig an.
„Also ... gesetzt den Fall...?" fragte Sylvia ungeduldig.
„Dann hättest du es noch leichter", grinste Ranjit. „Natürlich wirkst du auch auf Aphiliker. Aber bei denen weiß man nie so genau, wie sie reagieren. Die meisten steuern ohne Umwege auf das Ziel zu. Aber ein Immuner..."
Sylvia stand auf. In ihren Augen war ein gefährliches Funkeln.
„Ranjit, ich will dir etwas sagen", begann sie mit einer Stimme, deren Klang vor lauter Wut ungewöhnlich dunkel war. „Wenn du noch ein einziges Mal die Rede darauf bringst, daß ich mich in dieser Sache als Sex-Lockvogel betätigen soll, dann bringe ich dich um!"
Ranjit Singh warf wie schutzsuchend die Arme in die Höhe.
„Ich werde es nie mehr zur Sprache bringen!" versprach er in halb gespieltem, halb ernsthaftem Entsetzen.
Sylvia wandte sich ab und trat zum Fenster, um ihrer Erregung Herr zu werden. Normalerweise kam sie mit Ranjit Singh gut zurecht, aber manchmal vertrat er Ansichten, die sie in Rage brachten. Durch das Fenster starrend, das in nordöstlicher Richtung blickte, nahm sie zunächst nicht wahr, was sie sah.
Aber schließlich erregte die ungewöhnliche Aktivität am oberen Talausgang doch ihre Aufmerksamkeit.
Sie sah eine lange Kette von Lastfähren über die Hänge der Berge herabschweben. Die großen Fahrzeuge landeten in weitem Kreis um den noch im Bau befindlichen Komplex. Aus den Fähren strömten Menschen, Roboter und technisches Gerät.
Die bisher
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