0735 - Die Teleporter
Tinte aus einem kleinen Faß ausgelaufen. Aus der Zelle daneben hörte ich Stimmen. Ich schaute schon hin, obwohl ich noch nicht vor ihr stand.
Hände umklammerten die Stäbe. Nicht weit davon entfernt sah ich Gesichter, die sich von innen her dicht an das Gitter heranschoben, als wollten sie sich durch die Zwischenräume drücken. Ich hörte das Jammern und Stöhnen, das war Angst pur, die mir da entgegenschlug.
Sie waren zu dritt eingesperrt.
Ebenfalls Inder.
Zunächst konnte ich an ihnen keine Veränderung feststellen, bis mir auffiel, daß bei einem die Nase verkehrt herum saß, mit den Nasenlöchern nach oben.
Der zweite hatte keine Haare mehr. Sie wuchsen dafür auf seinen Händen, wo die Daumen ungewöhnlich verkehrt standen. Beim dritten zeigten die Füße mit den Zehen nach hinten. Sprechen konnten sie noch. Sie flehten und jammerten, und ich löste mich vom Gitter, weil sie nach mir fassen und mich festhalten wollten. Mit dem Rücken lehnte ich mich gegen die Wand.
Es hatte die Ärmsten der Armen getroffen. Wieder einmal. Zwar spielte es keine Rolle, welche Menschen sich dieser Mann mit dem kalten Gesicht ausgesucht hatte, aber das es die Verlorenen erwischt hatte, war irgendwo bezeichnend.
Ich selbst konnte meine Tränen kaum zurückhalten. Sie streckten die Arme in den Gang, sie flehten mich an, und ich war drauf und dran, vor Wut zu schreien und mir gleichzeitig die Ohren zuzuhalten.
In mir kochte es fast über. Ich wollte diesen Satan haben, der dafür die Verantwortung trug.
Ich drehte den Kopf nach rechts. Der Gang endete vor der üblichen Tür. Noch drei Zellen mußte ich passieren und rechnete mit dem Schlimmsten, als ich wieder vorging.
Die ersten beiden Zellen waren leer.
Die dritte nicht.
Ich hatte sie noch nicht erreicht, als ich aus ihr Schritte vernahm. Wahrscheinlich würde auch diese Person in die Nähe des Gitters gehen, um von mir das zu erwarten, was ich nicht geben konnte.
Ich überwand mich, die letzten Schritte zu gehen, hielt mich jedoch in der Mitte des Ganges, weil ich einen direkten Kontakt vermeiden wollte.
Diesmal war es kein Inder.
Ein Weißer schaute mich an.
Blonde Haare, ein sonnenbraunes Gesicht, in dem die Qualen wie eingebrannt standen.
Diesen Mann kannte ich.
Es war Mark Olson!
***
Keiner von uns sprach ein Wort. Obwohl ich mit seinem Anblick gerechnet hatte, war ich doch geschockt, ihn so vor mir zu sehen. Er trug noch dieselbe Kleidung wie in Indien. Auch der Schmutz klebte daran, sogar den entsprechenden Geruch nahm ich wahr. Er strömte mir entgegen, zusammen mit einer Hilflosigkeit, die von dem Schweden ausging.
»Mark…«, flüsterte ich.
Er gab mir keine Antwort. Nur die Haut unter den feuchten Augen zuckte.
Ich hatte endlich meine Überraschung verdaut und näherte mich dem Gitter. Die Gedanken hatte ich ausgeschaltet, ich wollte mich jetzt nur auf ihn konzentrieren.
Er schien mir nicht verändert zu sein. Beim ersten Hinsehen hatte ich nichts entdecken können, weil die Gitter auch Schatten über sein Gesicht warfen.
Wenig später sah ich ihn deutlicher. Und ich wollte es erst nicht glauben.
Er sah fast normal aus, aber nur fast. Seine Zähne waren noch vorhanden, nur befanden sie sich nicht dort, wo sie hingehörten. Sie hatten sich mit seinem Kopf verbunden und steckten in der Stirn, wo sie sich abzeichneten, als wären sie aufgemalt worden.
Aber sie waren echt, so verdammt echt.
Ich schluckte, und in meiner Kehle saß ein Klumpen, der es mir nicht mehr erlaubte, zu sprechen.
Olson hatte sich nicht mit seinem Schicksal abgefunden, er schüttelte den Kopf, bewegte den Mund und versuchte, mit mir zu sprechen.
Speichel sprühte vor seinen Lippen. Es fiel ihm schwer, ein Wort zu formulieren. Ich mußte mich erst an das Nuscheln und leise Schmatzen gewöhnen.
»John… du auch?«
»Ja, Mark, sicher.«
Er holte einige Male Luft. »Wo denn? Wo sind wir? Was hat man mit uns gemacht?«
»Ich weiß es noch nicht.«
Olson bekam einen Schwächeanfall. Er fiel gegen die Stäbe und klammerte sich trotzdem noch fest.
Weit hielt er den Mund offen, saugte die Luft in sich hinein, wollte reden, doch es konnte nicht klappen. Wie ein Fisch aufs Trockene geworfen, schnappte er nach Luft und versuchte auf diese Art und Weise, seine Stimme wiederzufinden. Dabei bewegte er seinen Mund, als bestünde dieser aus Gummi. Dann hatte er es geschafft.
»Ich… ich war plötzlich weg. Die Dunkelheit, die Farben, der Schmerz. Ich bekam alles mit. Ich
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