0736 - Mosaik des Todes

selbst - aber sie war keine von ihnen! Caltaren waren humanoid, ihr Aussehen erinnerte an Steinzeitmenschen. Sie hatten eine tiefbraune bis schwarze Haut, sowie dunkle Augen, die hinter knochigen Wülsten verborgen lagen. Die Durchschnittsgröße betrug nur einen Meter sechzig. Meist waren sie hager und wirkten ausgemergelt, verfügten aber über enorme Kräfte.
    Keanor trug eine hellblaue, fast schon weiße Korsage. Ein Pelzmantel hing ihr locker über die Schultern. Das blonde Haar war etwas mehr als Schulterlang. Dies und ihre helle Haut ließen sie absolut menschenähnlich aussehen. In der Hand hielt sie, wie immer, einen Stock, dessen Griff ein Drachenkopf zierte.
    »Was willst du, Geduldete?«, zischte Seanzaara, nachdem sie sich von ihrem ersten Schrecken erholt hatte. Sie war ungehalten darüber, dass die Anklage unterbrochen wurde.
    Keanor war eine ehemalige Vertraute von Seanzaara. Sie war keine Caltar. Eines Tages brachte Seanzaara sie von einer Reise mit, und im Handumdrehen stieg sie zur persönlichen Beraterin auf. Jahre später machte sie etwas, was ihre Kompetenzen überstieg, und sie wurde zu einer geduldeten Person abgestuft.
    Wenn es jemand gab, dem die Caltaren zutrauten, Verrat zu verüben, um wieder in die alte Position zu kommen, dann war sie es…
    Die blonde Schönheit war, ebenso wie Seanzaara, darauf bedacht, einen perfekten Auftritt hinzulegen. Sie antwortete nicht, sondern bewegte sich mit eleganten Bewegungen auf das Holzpodest zu. Dann ging sie provozierend langsam die Treppe hoch.
    Neben Seanzaara angekommen sagte sie laut:
    »Es stimmt, was Kroan erzählte. Sein Zwillingsbruder Horan, der, den Göttern sei Dank, schon gestorben ist, kam damals für kurze Zeit nach K'oandar.«
    »Weshalb erzählst du das erst jetzt?«, fragte Seanzaara erbost.
    »Bis eben war es noch nicht wichtig«, antwortete Keanor. »Da der Verräter sowieso tot ist, spielte das keine Rolle.«
    »Wie kam er nach K'oandar?«, lautete die zweite Frage der Hexe.
    »Über die Transportblumen bei den Hügeln der Toten«, beantwortete Keanor auch diese Frage.
    »Wer war sein Begleiter?«
    »Er hatte keinen Begleiter, sondern…«
    »…eine Begleiterin«, brummte Kroan. Ihm war anzusehen, dass er die Geduldete am liebsten erwürgt hätte. Er hatte sie noch nie leiden können, und die kleinen Giftpfeile, die sie gegen seinen toten Bruder abschoss, trafen ihn tief.
    »Wer hat dich gefragt, Verräter?« Seanzaara drehte sich Kroan drohend entgegen. Ihr Schreien war bis weit über den Versammlungsplatz zu hören.
    Kroan hob eine Hand und machte, als ob er etwas über die Schulter werfen wollte. Auch bei den Caltaren war dies das Zeichen der Geringschätzung. Er wusste, dass er sich nicht zu sehr einschüchtern lassen durfte, sonst hatte die Hexe gleich gewonnen.
    »Seine Begleiterin hieß Teri Goldhaar«, sagte er, ohne weiter auf das Geplärre der kleinen Frau einzugehen.
    Keanor grinste. Sie amüsierte sich prächtig. Die Abneigung, die Kroan ihr entgegenbrachte, konnte sie zurückgeben. Doch ihr gefiel es, wenn Seanzaara ignoriert wurde. Die ärgerte sich dann umso mehr.
    Und Seanzaara schnaubte vor Wut. »Und wer ist diese Teri Goldhaar? Könnt ihr beide zusammen keine klare Auskunft geben? Muss ich bei allem nachfragen?«
    Als sie keine Antwort erhielt, sagte sie mit ätzendem Spott: »Kein Wunder, dass ihr zu zweit vor mir steht. Einer allein kann nicht so dumm sein!«
    »Das trifft mich nicht«, behauptete Kroan betont gleichmütig. Innerlich kochte er vor Zorn.
    »Mich ebenfalls nicht«, hieb Keanor in die gleiche Kerbe.
    »Es ist mir egal, ob es euch trifft oder nicht.« Seanzaara blieb sich selbst treu. Nur keine Gefühle zeigen. »Wichtig ist nur, dass die Verräter bestraft wurden für das, was sie unserem Volk angetan haben. Und bei dir, Kroan«, sie drohte ihm mit der Faust, »und deinen Leuten würde ich am liebsten auch diese Strafe vollstrecken!«
    Der Caltar versteifte sich. Jetzt wird es erst richtig gefährlich, dachte er.
    »Wie würde es dir gefallen, deinen Freund bestraft zu sehen«, wandte sich die Hexe an Keanor.
    »Das ist deine Sache«, antwortete die Geduldete. Sie wollte sich heraushalten. Offenes Vorgehen lag ihr nicht. »Ich stehe ausschließlich hier, weil ich seine Worte bekräftigen musste…«
    Damit ich Pluspunkte sammeln kann, fügte sie im Geiste hinzu.
    Die blonde Schönheit richtete ihren Stock auf Seanzaara. Deutlich war zu erkennen, dass sie von einem Augenblick zum nächsten wie