0738 - Luzifers furchtbares Erbe
gedacht. Eine der vielen Inseln auf dieser Welt, wo sich Luzifers furchtbares Erbe weiter hat entwickeln können. Ich weigere mich einfach, näher darüber nachzudenken. Ich will es nicht, es würde zumindest meine Arbeit belasten. Was heißt würde, es belastet sie sowieso schon. Wem kann man noch in die Augen sehen, Suko? Welchem Fremden kannst du gegenübertreten, ohne mißtrauisch zu sein. Allein die Tatsache ist furchtbar. Vielleicht verändert sie unser beider Leben und auch das von Sir James. Wir müssen achtgeben, daß wir nicht durchdrehen. Ich könnte mir vorstellen, daß labile Menschen so etwas nicht verkraften und sie irgendwann in einer Nervenheilanstalt landen.«
»Richtig gedacht, John.« Jiri hatte meine Rede gehört. Er kam auf uns zu. »Auch bei mir gab es einen Punkt, wo ich dachte, es nicht mehr aushalten zu können. Es war kurz nach meinem Verschwinden aus Garsdale Head. Da war plötzlich der große Blackout da. Ich hatte Rita im Stich gelassen, die einzige Person, die ich liebte. Ich habe eine Frau in dem Gasthaus getötet. Ich habe mich den Gesetzen entzogen, obwohl man es nicht so sehen kann. Jedenfalls werde ich verhaftet, wenn ich mich offen in diesem Ort zeige.«
»Aber nicht, wenn wir zusammen hinfahren.«
Er schaute mich an. »Sie wollen…«
»Natürlich wollen wir«, bestätigte Suko. »Es muß uns gelingen, einen Teilerfolg zu erringen, sonst ist alles vergebens. Da kann man uns dann wegschaffen.«
»Ich hatte gehofft, daß Sie so reagieren würden. Nur wird dort oben Schnee liegen und…«
»Davor fürchten wir uns nicht«, sagte ich. »Aber ich möchte trotzdem noch hören, wie diese Horror-Nacht geendet hat. Setzen Sie sich hin, denken Sie nach, erzählen Sie. Jede Kleinigkeit kann für uns später bedeutsam werden.«
Jiri Sabka hatte das Wasser nicht mitgebracht, sondern das Glas im Waschraum geleert. Sein Gesicht war starr und blaß, als er sich niederließ. Mit den Handflächen strich er über den Stoff seiner Hose, und sehr tief holte er Luft.
Obwohl er nicht in die Trance seiner Erinnerung zurückfiel, machte er auf uns doch einen abwesenden Eindruck. Sein Blick war gegen die Decke gerichtet, dann begann er damit, den Rest der Geschichte zu berichten…
***
Erzählungen
Dunkelheit wie blauer Samt. Ein Himmel mit Sternen, aber in der Dunkelheit eine Insel aus Licht, Musik und Freude.
Am Rande des Dorfes waren die beiden Menschen stehengeblieben. Sie hatten es bis hierher geschafft, ohne von den Kreaturen der Finsternis erwischt worden zu sein, und Jiri hoffte, daß diese noch immer in der Dunkelheit umherirrten, um nach ihnen zu suchen.
Auch Rita ging es besser, als sie die Musikfetzen hörte und das helle Geräusch der Stimmen. Sie atmete einige Male tief durch und schüttelte sich, als wollte sie sich damit von der verfluchten Last der Erinnerungen befreien. »Das ist meine Heimat«, sagte sie leise.
»Wie schön.«
»Es soll auch deine werden, Jiri.« Sie nahm seine Hand und drückte sie.
Er schwieg. Er wollte nichts sagen und auch nicht den Kopf schütteln, um sie nicht zu enttäuschen.
Jiri wußte genau, daß er nicht hierblieb, nicht hier in Garsdale Head bleiben konnte, weil andere Aufgaben wichtiger waren.
Nicht nur das zählte. Er hatte noch einen anderen Grund, den er allerdings für sich behielt. In der letzten Zeit überkam ihn immer öfter das Gefühl, nicht mehr lange am Leben zu bleiben. Er kam sich vor wie jemand, der das Ende seines Lebenswegs bereits sieht, aber noch so ungemein viel zu erledigen hat.
»Warum bekomme ich denn keine Antwort, Jiri.«
»Ach Rita, es ist einfach zu schwer für mich. Bitte, das mußt du verstehen. Es kommt alles ein wenig plötzlich. Was wir in den letzten Stunden mitgemacht und erlebt haben, das reicht bei manchen Menschen für ein ganzes Leben.«
Er hörte sie weinen.
Er fluchte lautlos, aber es hatte keinen Sinn, dem Mädchen etwas vorzumachen, er hätte es doch nur belügen müssen, und dazu war er nicht fähig, gerade bei ihm nicht. Bisher konnte er noch jeden Morgen in den Spiegel sehen, ohne sich schämen zu müssen.
Das Volksfest fand in der Dorfmitte statt, wo es auch einen großen Platz gab. Der Geruch von Grillwürsten und Lammfleisch wehte in ihre Nasen. Keiner der beiden verspürte auch nur den geringsten Appetit.
Jiri trocknete ihre Tränen. Rita nickte einige Male. »Und was hast du dir jetzt ausgedacht?« flüsterte sie.
»Ich bringe dich nach Hause.«
Sie nickte, aber nicht so, als wäre
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