074 - Der Sohn des Zyklopen
daransetzen, um das Versteck seines Sohnes nicht zu verraten. Es gibt nur eine sichere Methode, Torto aufzuspüren. Wir müssen eine Treibjagd auf ihn machen."
„Dazu fehlen uns die Leute", erwiderte der Baskenführer.
„Mir ist klar, daß Sie in Ihrer Sekte nicht genügend Leute für eine Treibjagd haben“, fuhr Dorian fort, „aber Sie könnten fast alle Jäger des Baztan-Tales für Ihre Zwecke einspannen. Soviel ich weiß, ist jetzt, Mitte November, Hochsaison für die Wildtaubenjagd. Warum rufen Sie nicht alle Jäger dazu auf?"
„Die Jagdsaison ist fast vorbei", schränkte Beltza ein. „Aber Ihre Idee ist wirklich gut, Dorian. Ich werde alle Männer des Tales für die Jagd gewinnen. Das fällt mir nicht schwer. Und ohne, daß sie es wissen, werden sie mit den Wildtauben auch ein anderes Wild aufscheuchen: Torto. Meine erste Einladung ergeht an Sie, Dorian."
Es war zum erstenmal, daß der Dämonenkiller den Baskenführer lächeln sah. Er lächelte zurück. Und Dorian fand, daß sie sich eigentlich recht gut verstanden.
Diese Erkenntnis ermutigte Dorian, einen neuen Vorstoß in bezug auf Don Chapman zu wagen.
„Wir könnten uns sicherlich immer so glänzend verstehen, wenn ich mir über einen Punkt klarwerden könnte, Beltza. Ich habe das Gefühl, daß Sie etwas verschweigen, was das Schicksal des Puppenmannes Don Chapman betrifft. Falls Sie etwas wissen, müssen Sie es mir sagen. Es hängt viel für mich davon ab."
Der Baskenführer versteifte sich sofort wieder. „Ich weiß nichts über einen solchen Zwergmenschen."
Die Notizen des Dämonenkillers zur baskischen Religion.
Die Basken halten immer noch an mythischen Vorstellungen fest, die sie vortrefflich mit ihrem christlichen Glauben in Einklang bringen können. Die Fischer berichten auch heute noch gern über Nymphen. Sirenen, Tritonen und riesige Meerschlangen, die sie gesehen haben wollen. Die Bauern wissen von lamiak oder laminak zu erzählen - Wesen, halb Fisch oder Vögel oder schönen Frauen -, die sich an Bachufern oder um ihre Gehöfte herumtreiben. In den Gebirgstälern gibt es den Basajaun, den Herrn des Waldes.
Sind das Ausgeburten einer abergläubischen Fantasie, oder hatten die Basken in früheren Zeiten und auch heute mehr Erfahrung im Umgang mit den Dämonen als andere Menschen? Ich meine, es trifft beides zu.
Das mag auch der Grund sein, daß sie noch immer an eine Unzahl guter Hausgeister, die Etxajaunak, glauben, die sie mit ebenso vielen Namen benannt haben. Der wohl älteste dieser den Menschen wohlgesonnenen Geister ist der winzige Galtxagorri.
Der Puppenmann Donald Chapman wäre geradezu prädestiniert, diese Rolle zu übernehmen, und ich habe mir schon ernsthaft überlegt, ob nicht...
Don Chapman ging es schon viel besser. Er fühlte sich stark genug, um Salatwurzeln ausreißen zu können. Aber seine Beschützer dämpften seinen Tatendrang. Und er begehrte gegen ihren Willen auch nicht auf; nicht nur deshalb, weil es ohnehin keinen Sinn hatte, sondern weil er ihnen auch zu Dank verpflichtet war.
Nach dein Kampf gegen Dula, die auf einmal verrückt gespielt und ihn angefallen hatte, hatte er ziemlich übel ausgesehen. Wären die Basken nicht gewesen, Dula hätte ihn zweifellos in Stücke gerissen. Die Basken waren Dula mit Weihwasser, Kruzifix und seltsamen Beschwörungen zu Leibe gerückt und hatten Chapman danach gesundgepflegt und ihm mit viel Liebe eine Art Tabernakel als Unterkunft eingerichtet, die seinem Puppenhaus in der Londoner Jugendstilvilla an Komfort in nichts nachstand. Einziger Wermutstropfen war, daß er sich nicht frei bewegen konnte. Er kam sich wie ein Gefangener vor, obwohl die Basken ihn eher als ein Maskottchen betrachteten.
So viel hatte er herausbekommen: Sie beteten ihn als einen Schutz- oder Hausgeist an und nannten ihn Galtxagorri. Er hätte an und für sich nichts gegen diese Art des süßen Lebens gehabt, aber er haßte es, untätig zu sein. Er war wieder gesund - und wollte Dula suchen. Chapman war überzeugt, daß er sie auf den rechten Weg bringen konnte. Er mußte sie bekehren. Es hing soviel davon ab.
Die eine Tür des Schrankes, in dem er untergebracht war, ging auf. Das bärtige Gesicht seines Beschützers erschien. Er nannte sich Eiztari Beltza und sprach ein wenig Englisch.
„Galtxagorri", sagte Eiztari Beltza ehrfürchtig und setzte eine winzige Tasse mit Brocken von Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse vor ihm ab.
„Du dich müssen stärken, Galtxagorri", sagte der
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