0741 - Im Haus der Ghouls
daß es die jüngere der beiden Schwestern war. »Also Agnetha.«
»Ja, Sinclair, ja. Wir haben uns doch herrlich unterhalten. Nur schade für dich, daß du bald sterben wirst. Ich hätte gern mit dir etwas anderes vorgehabt.«
Ich fragte nicht weiter.
Dafür verließ ich meinen Standplatz, tauchte in die Tiefe und setzte den weiteren Weg kriechend fort. Ich wußte nicht, was der Ghoul vorhatte, für mich war es Zeit, die Initiative zu ergreifen.
Ghouls sind hinterlistige Geschöpfe. Wenn sie angreifen, dann niemals, ohne sich einen Plan zurechtgelegt zuhaben.
Ich hörte Agnetha wieder sprechen. Allerdings hatte sich ihre Stimme dabei verändert. Sie bekam die Worte nicht mehr normal hervor. Immer wieder waren sie von einem Blubbern und Schmatzen begleitet. Für mich ein Zeichen, daß sich die Person schon in einem fortgeschrittenen Zustand der Veränderung befand. Das Dämonische war dabei, Überhand zu gewinnen. Aus dem Mensch würde ein Schleimklumpen werden.
Der Gestank raubte mir die Luft. Er war so widerlich, daß es mir hochkam. Am liebsten hätte ich mir ein Taschentuch gegen den Mund gepreßt. Es war nicht möglich, denn im Kampf gegen den Ghoul mußte ich beide Hände freihaben..
Ich erinnerte mich daran, daß der Gang nicht gerade lang gewesen war. Wenn ich ihn verließ und mich weiter vorbewegte, würde ich in den normal großen Keller hineinkommen.
Wahrscheinlich wartete Agnetha dort auf mich.
In den letzten Sekunden hatte ich nichts mehr von ihr gehört. Sie wartete, und wahrscheinlich konnte sie im Dunkeln sehen, im Gegensatz zu mir.
Es waren die Sekunden vor der endgültigen Entscheidung angebrochen. Das spürte ich sehr deutlich. Jede Faser meines Körpers war auf Alarm eingestellt.
Die Dunkelheit des Kellers kam mir plötzlich wie ein gewaltiger Feind vor, der nur darauf wartete, mich vernichten zu können. Zuschlagen und einen Toten hinterlassen.
Ich mußte etwas sehen.
Ich wollte es riskieren.
In der linken Hand hielt ich meine lichtstarke Bleistiftleuchte. Sie war der Helfer, der gegen die Finsternis ankämpfen konnte. Ich hatte mir auch ungefähr gemerkt, aus welcher Richtung die Stimme mich erreicht hatte. Sehr weit konnte das Wesen nicht von mir entfernt sein. Auf dem feuchten Boden lag ich nicht mehr. Ich hatte mich in die Höhe gedrückt, blieb aber in geduckter Haltung.
Die Lampe hatte ich etwa zur Hälfte aus der Tasche gezogen, als das Wesen angriff.
Ich sah es nicht.
Nur ein Luftzug erwischte mich plötzlich von vorn. Einen Lidschlag später traf es mich knüppelhart am Kopf.
Plötzlich zerriß die Dunkelheit, während gleichzeitig der Schmerz durch meine, Stirn wütete. Sterne platzen vor meinen Augen auf, als hätte jemand eine Wunderkerze angezündet. Ich spürte sehr deutlich, daß mich die Kraft verließ und ich nach vorn taumelte. Es fiel mir schwer, mich überhaupt auf den Beinen zu halten. Die Welt drehte sich um mich herum. Mit der Schulter prallte ich gegen eine Wand. Sie stoppte mich nicht nur, sie zwang mich auch zu Boden.
So fiel ich auf die Knie.
Und genau darauf hatte das Wesen gewartet. Er war sehr schnell bei mir. Ich spürte etwas an meinem Hals.
Es waren die schleimigen Klauen des Leichenfressers…
***
Simon F. Young ging in die kleine Wohnung hinein. Er schaute sich dabei um und dachte schon wieder daran, wie toll er diese Bruchbude umbauen würde.
Er hatte sich vorgenommen, sicher aufzutreten, der Frau die Bedingungen zu diktieren, doch diese Sicherheit fiel von ihm ab wie eine alte, trockene Pelle.
Es war alles wie sonst. In der Wohnung war nichts verändert worden, und Agatha Sarrazin hockte ebenfalls in ihrem Sessel, der so günstig stand, daß sie durch das Fenster und gleichzeitig auch in das Zimmer hineinschauen konnte.
Das alles stimmte, es war wunderbar, es kam zusammen, aber er fühlte sich verdammt unwohl.
Fast wie ein Verlierer…
Young blieb stehen.
Agatha Sarrazin war nicht aufgestanden. Sie schaute aus ihrem Sessel zu ihm hoch. Um die dünnen Lippen zuckte ein Lächeln. »Was ist denn, Mr. Young, wollen Sie sich nicht setzen?«
Er hob die Schultern. »Sicher oder eigentlich nicht. Es wird alles sehr schnell gehen.«
»Aber doch nicht im Stehen, Mr. Young. So unhöflich wollen wir doch nicht sein.«
»Schon gut.«
»Nehmen Sie sich einen der Stühle. Sie sind bequemer, als sie aussehen, Mr. Young.«
Es war ihm nicht so recht. Er ärgerte sich, daß ihn die Person überrumpelt hatte, aber er wollte nicht unhöflich sein
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