0741 - Im Haus der Ghouls
Ordnung, daß die Wohnungen mit gutem Gewissen hätten vermietet werden können. Wer hier lebte, der hatte sich damit abgefunden. Jedes Haus war ein Spekulationsobjekt und würde noch weiter verkommen, bis die entsprechenden Käufer sich entschlossen, es abzureißen, um neu zu bauen.
In den letzten Jahren war das in London oft geschehen. Besonders in den benachteiligten Stadtteilen hatte die Bau-Mafia zugeschlagen, Wohn- und Geschäftspaläste dahingesetzt und sich sehr oft verspekuliert, denn man bekam die Wohnungen nicht vermietet. Sie waren einfach zu teuer geworden.
Dennoch versuchten es Typen wie dieser Simon F. Young immer wieder. Und dies mit einer schon erschreckenden Intensität.
Suko sah den Rolls am Straßenrand stehen. Der Wagen wirkte hier mehr als deplaziert. Daß sich noch niemand um ihn gekümmert hatte, mochte daran liegen, daß der Fahrer noch hinter dem Lenkrad saß. Einige Typen hatten sich bereits zusammengerottet und beobachteten das Fahrzeug aus sicherer Distanz. Wenn sie mehr waren und sich stark genug fühlten, würden- sie vielleicht angreifen. In dieser Umwelt waren die sozialen Spannungen gewaltig. Da schaukelten sie sich jeden Tag mehr und mehr hoch. Hier einen Rolls abzustellen, kam schon einer Provokation gleich.
Das Haus rückte näher.
Aber auch die fünf Männer, die sich versammelt hatten, gingen auf das Ziel zu.
Nur schauten sie gegen den Wagen.
Suko kannte den Fahrer nicht. Er wußte auch nicht, ob er dem Mann bekannt war und ob dieser ihn wohl daran hindern würde, das Haus zu betreten. Einen normalen Grund gab es dafür nicht, aber Suko hatte den Eindruck, als hätte sich die Spannung verdichtet.
Er blieb vor der Haustür stehen.
Sie lag links von ihm. Rechts stand der Wagen. Dort befand sich auch die Fahrerseite, und der Mann hatte den Kopf gedreht, so daß er Suko anschauen konnte.
Auf die inzwischen sechs Männer nahm er keine Rücksicht. Sie waren auch stehengeblieben und sahen, ebenso wie Suko, daß sich die Fahrertür langsam öffnete und ein kräftiger Mann mit sehr kurzen, roten Haaren den Rolls verließ.
Er schaute Suko an.
»Kennen wir uns?« fragte der Inspektor.
Cullogh grinste und stellte sich vor.
»Damit kann ich nichts anfangen.«
»Glaube ich schon, Inspektor.«
»Ach, dann bin ich Ihnen bekannt.«
»Ja. Ich weiß, daß Sie und Sinclair zusammenarbeiten. Sie sind gewissermaßen ein Team.«
»Gut getroffen. Dann werden Sie wohl ahnen, wem ich einen Besuch abstatte.«
Cullogh nickte. Er trug eine katzengraue Lederjacke, die nicht geschlossen war. Ob er bewaffnet war, konnte Suko nicht erkennen. »Das ist klar, Inspektor. Nur werden Sie sich den Besuch sparen können. Es hat sich erledigt.«
Suko begriff nicht. »Was, bitte, soll sich erledigt haben?«
»Der Fall«, flüsterte Cullogh.
Suko lachte ihn an. »Dann sind die drei Verschwundenen wieder aufgetaucht?«
»Das nicht.«
»Aber?«
»Das Haus wird bald leer sein. Mein Chef ist dabei, die ersten Verträge zu unterschreiben. Die Schwestern Sarrazin haben sich bereit erklärt, auszuziehen.«
Da war Suko baff. Ausgerechnet die beiden Schwestern? Das wollte ihm nicht in den Kopf. Laut John Sinclair gehörten sie schließlich zu den Hauptverdächtigen, und er konnte sich nicht vorstellen, daß sie dermaßen schnell aufgaben.
»Das war's dann.«
»Für Sie, Cullogh, nicht für die Polizei. Wir würden gern wissen, was mit den Verschwundenen geschehen ist. Ob sie noch leben oder ob man sie getötet hat.«
»Das interessiert uns nicht.«
»Kann ich mir denken.«
»Mein Chef wird bald wieder das Haus verlassen. Dann können Sie ihn selbst fragen.«
Suko lächelte. »Vielleicht möchte ich das jetzt schon. Mich würde auch die Meinung der Schwestern interessieren. Ich wundere mich über ihren Sinneswandel und kann ihn mir eigentlich nicht vorstellen. Das ist ja praktisch von einer Stunde auf die andere geschehen. Wie war so etwas denn möglich?«
»Fragen Sie meinen Boß.«
Suko drehte sich um. »Danke für den Tip.« Er wollte ins Haus gehen, als er das scharfe Lachen hörte.
Er drehte sich wieder um.
Die sechs jungen Männer hatten den Rolls erreicht. Einige von ihnen mußten auch etwas von der Unterhaltung mitbekommen haben, denn sie waren der Meinung, daß die Schwestern freiwillig niemals aus ihrer Wohnung ausziehen würden.
»Doch!« sagte Cullogh. »Sie selbst haben meinen Chef angerufen. Und jetzt verschwindet! Die Sache geht euch nichts an.«
Er hatte den falschen Ton
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