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0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

Titel: 0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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die Treppe hochzusteigen, um es fassen zu können. Es wartete oben, es würde wahrscheinlich in einen Zug steigen und verschwinden, um woanders den Tod zu verbreiten.
    Ihr war schlecht. Sie keuchte und dachte an die beiden Polizisten. Ob diese ihr geglaubt hätten? Cornelia richtete sich wieder auf. Wenn die beiden in Sichtweite gewesen wären, hätte sie nach ihnen gerufen. Aber sie sah die Männer nicht. So blieb sie auf sich allein gestellt.
    Sollte sie hingehen?
    Alles in ihr sträubte sich. Cornelia wußte, daß für sie die Gabe des Zweiten Gesichts zu einem tödlichen Fluch werden konnte, aber das Wissen hielt sie nicht davon ab, es zu versuchen.
    Die Menschen verachteten sie, manche hatten sogar vor ihr ausgespuckt. Waren sie es überhaupt wert, daß sie sich für sie einsetzte? Cornelia suchte darauf keine Antwort. Statt dessen tat sie, was sie tun mußte, auch um ihr Gewissen zu beruhigen.
    Ein Teil des Aufgangs war abgetrennt worden. Eine Rolltreppe führte hoch. Cornelia wollte nicht die Stufen gehen, sondern ließ sich nach oben fahren.
    Je näher sie dem Bahnsteig kam, um so mehr verdichtete sich das Gefühl in ihr. Sie merkte genau, daß die Gefahr wuchs, und das schwache Licht auf dem Bahnsteig kam ihr noch dunkler vor, als hätten sich dort Schatten wie die Vorboten der Hölle versammelt, um alles andere an sich zu reißen.
    Düstere Vorboten, schreckliche Ahnungen auf das Grauen, dem sie entgegenrollte.
    Die Treppe schob sie auf den Bahnsteig hinaus. Ein Windstoß erfaßte die Frau von der Seite und schüttelte sie durch. Sie ging langsam weiter, setzte ihre Schritte vorsichtig, als wäre der Boden eine Eisfläche. Neben einem fahrbaren, um diese Zeit aber geschlossenen Imbißstand blieb sie stehen. Er hatte einen günstigen Standort, denn von ihm aus konnte sie gut in beide Richtungen schauen.
    Der Bahnsteig war so gut wie leer. Auf seiner langen Fläche verteilten sich hin und wieder einige Personen, die so aussahen, als würden sie auf den Zug warten.
    Manche trugen Skier bei sich. Andere saßen auf den Bänken und warteten auf den Nachtzug.
    Es war alles normal…
    Nein, es war nicht normal. Der Hauch des Bösen wehte über den Bahnsteig und die Schienen hinweg. Hinter ihr fuhr ein Zug ein. Die Geräusche klangen ihr seltsam fern. Auch die kratzig klingende Lautsprecherstimme der Ansagerin schien aus einer anderen Welt zu stammen.
    Cornelia ging weiter. Sie entschwand aus dem Lichtkreis einer der Lampen und tauchte ein in die klare, aber seltsam graue Dunkelheit, die über dem Bahnsteig lag. Sie hatte das Gefühl, durch Schattenwände zu wandern. Sie waren erfüllt von raunenden Stimmen, von bösen Gedanken aus fremden Welten, die sich unter dem hohen Kuppeldach des Bahnhofs manifestiert hatten.
    Ein leerer Gepäckwagen stand einsam und verlassen da. Zwei Männer hockten auf ihren Koffern.
    Daneben lagen noch Rucksäcke. Die beiden schauten Cornelia an und rümpften ihre Nasen.
    Sie kümmerte sich nicht darum. Aber sie war sicher, daß sie sich in die einzig mögliche Richtung bewegten.
    Der Druck war stärker geworden. Er erfüllte ihren Körper wie ein starkes Brausen. Manchmal ächzte sie sogar, um gegen diese andere Kraft anzukämpfen.
    In ihrem Mund war alles trocken geworden. Hinter der Stirn hämmerte es. Zahlreiche kleine Hämmer vollführten Tänze. Sie spürte Staub auf ihren Lippen, der mit Speichel vermischt war. Die gewaltige Decke des Bahnhofs verwandelte sich in ein schreckliches Gebilde aus noch schrecklicherer Welt, in dem die Menschen nicht mehr das Sagen hatten.
    Für die alte Frau mit dem Zweiten Gesicht war der Bahnhof zu einem Kessel der Furcht geworden.
    Sie erreichte den Bereich des Bahnsteigs, der schon das Ende markierte. Auch die Halle würde bald verschwinden. Der Wind blies hier stärker. Es war nicht besonders kalt, die alte Frau fror trotzdem und zerrte den Mantel noch enger um ihren mageren Körper. Dazu gehörte auch ein mageres Gesicht mit tief in die Haut eingegrabenen Falten und eigentlich illusionslosen Augen, deren Blick sich seit einiger Zeit jedoch verändert hatte. Er war wissend, härter und auch lauernder geworden. Cornelia wußte, daß das Böse da war, obgleich sie es nicht erkannte und sie gegen die Leere des Bahnsteigs blickte.
    Wirklich leer?
    Sie blieb stehen. Eine Bewegung hatte sie aufmerksam werden lassen. Für sie sichtbar stand dort wieder einer der Gepäckwagen. An den beiden breiten Seiten durch Gitter gesichert, vorn und hinten

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