0742 - Mein Bruder, der Dämon
bist?«
»Wie könnte ich das jemals vergessen, Meister? Es war der erste Tag meines Lebens! Eines Lebens voll herrlicher Macht und Energie! Außerdem hast du mir die Unsterblichkeit ermöglicht!«
»Auch wir Erddämonen können getötet werden«, warnte Calmac. Doch obwohl Sura ihn sonst so abgöttisch verehrte, konnte Sura ein höhnisches Auflachen nicht unterdrücken.
»Verzeih mir, Meister! Aber du selbst strafst deine eigenen Worte Lügen. Sieh nur diese Trophäen, mit denen du berechtigterweise deine Grotte schmückst! All diese weißmagischen Narren, die jene Waffen geführt haben, sind einst gegen dich angetreten. Und ihre Knochen liegen nun unter der Erde von Angelheart Castle. Nicht einer von ihnen konnte dich besiegen!«
Calmac schüttelte angesichts von Suras jugendlichem Überschwang den Kopf. Er würde auf seinen jungen Vasallen doch mehr aufpassen müssen, als er geglaubt hatte.
»Wisse, mein treuer Sura, dass es auch weißmagische Waffen gibt, die stärker sind als jene hier.« Er machte eine halbkreisförmige Bewegung mit der rechten Klaue, deutete auf die zahlreichen Trophäen. »Doch darüber wollte ich nicht mit dir reden. Jedenfalls nicht sofort. Es geht mir jetzt um dein Leben in der Zeit, als wir uns noch nicht kannten.«
»Kann man das Leben nennen, Meister? Ich war ein Kind, allein in einem fremden Land, schwach und hilflos meinen Feinden ausgesetzt. Bis du mir dann die Macht gegeben hast, um sie zu vernichten.«
Beide Dämonen grinsten. Gleichzeitig dachten sie an jene denkwürdige Nacht zurück, als Sura erstmals seine neuerworbenen Dämonenkräfte hatte ausprobieren dürfen. Sura war zur Deacon Hall geschlichen und hatte sich diesen Nigel Goodwin vorgeknöpft. Oh, er hatte dem Jungen tausendfach zurückgezahlt, was dieser ihm angetan hatte…
Plötzlich wurde Calmacs Gesicht wieder ernst, und er redete weiter. »Erinnerst du dich an deine ursprüngliche Familie, Sura?«
»Kaum.« Der junge Dämon grinste zynisch. »Mein Vater war ein machtbesessener Politiker in jenem fernen Land, das die Menschen Indien nennen. Und meine Mutter war eine stille Frau, deren Lieblingsspeise Beruhigungstabletten waren.«
»Du weißt also nicht, dass du noch eine kleine Schwester hast?«, fragte Calmac lauernd.
Sura zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Ehrlich gesagt kümmert es mich nicht, Meister. Ich bin dein treuer Gefolgsmann. Die Menschenwelt interessiert mich nur, wenn ich Sterbliche töten und verstümmeln kann.«
»Dazu wirst du gewiss schon bald wieder Gelegenheit haben. Wisse, mein Sura, dass deine kleine Schwester eine Dämonenbekämpferin geworden ist. Sie heißt übrigens Asha.«
Sura lachte.
»Was ist daran so komisch?«, fragte Calmac leicht irritiert.
»Der indische Vorname Asha ist ein Männername, Meister. Mein Vater hat sich immer nur Söhne gewünscht. Wahrscheinlich waren die Geburtsanzeigen für die Zeitungen schon fertig, als meine Mutter ein Mädchen zur Welt gebracht hat! Diese Asha hatte gewiss nichts zu lachen im Hause meines Vaters…«
»Hast du Mitleid mit ihr?«, fragte Calmac angeekelt.
»Mitleid?« Sura klang fast beleidigt. »Mitleid ist eine menschliche Regung. Und ich bin kein Mensch mehr seit jener glorreichen Stunde, als du mich zu dem gemacht hast, was ich heute bin!«
»Bereust du es?«
»Was sind das für Fragen, Meister? Habe ich dir jemals Anlass gegeben, an meiner Grausamkeit und Gnadenlosigkeit zu zweifeln? Habe ich dir nicht treu zur Seite gestanden im Kampf gegen Menschen und gegen andere Dämonen?«
»Das hast du wirklich, Sura«, stimmte Calmac zu. »Und was denkst du nun über deine kleine Schwester?«
»Ich würde diese Asha gerne einmal sehen und sie dann vernichten. Sie hat den Tod verdient, so wie alle Menschen. Asha allerdings ganz besonders, denn sie wagt es, gegen uns mächtige Dämonen aufzubegehren.«
»Du wirst schon bald Gelegenheit haben, deiner Schwester gegenüberzustehen.«
Sura horchte auf. »Heißt das…?«
»Ja, Sura. Asha Devi ist auf dem Weg nach Angelheart Castle. Sie will ihrerseits deine dämonische Existenz zerstören. Ich habe mit meinem Magie-Ohr ganz eindeutige Signale empfangen.«
Sura nickte ehrfürchtig. Das Magie-Ohr war ein Spezialorgan der Erddämonen, das nur besonders hohen Schwarzblütigen wuchs. Zuvor mussten sie jahrelang geheimnisvolle Initiationsriten über sich ergehen lassen.
Mit Hilfe des Magie-Ohres konnten die Erddämonen Gespräche filtern, in denen es um sie selbst ging. Außerdem
Weitere Kostenlose Bücher