0744 - Die Verwandlung
hatte?
Ja, ich glaubte es, aber glauben heißt nicht wissen, und es blieben dicke Zweifel in meinem Innern zurück.
Wenn sie Franca tatsächlich getötet hatte, dann war sie verdammt abgebrüht, jetzt wieder an den Ort der Tat zurückzukehren, und wahrscheinlich wußte sie auch, daß ich auf sie wartete.
Warum ging sie nicht weiter? Hatte sie Lunte gerochen? Spürte sie etwa, daß ich auf sie lauerte und meine Hand bereits auf den Griff der Beretta gelegt hatte?
Aber sie blieb im Licht stehen, als wollte sie bewußt eine Zielscheibe abgeben.
»Sinclair…?«
Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Durch diese Frage aber war mir klargeworden, daß sie Bescheid wußte, wer hier auf sie wartete.
»Ich bin hier.«
»Das war mir klar.«
Ich schickte ihr ein böses Lachen entgegen. »Ist der Killer wieder an den Ort seiner Tat zurückgekehrt, um sich davon zu überzeugen, ob noch alles in Ordnung ist?«
»Traust du mir das tatsächlich zu, Sinclair?«
»Wie kann ich wissen, was im Schädel eines anderen Menschen vorgeht? Vor allem, wenn er sich auf einer Schiene bewegt, wie du es nun einmal tust.«
»Du irrst dich.«
»Ach ja?«
»Ich habe sie nicht getötet!«
»Das habe ich schon einmal gehört.«
»Du glaubst mir nicht?« Diesmal klang ihre Stimme lauter und schriller.
»Würdest du es an meiner Stelle? Hattest du mir nicht angedroht, mir das Herz zu nehmen?«
»Vergiß es!«
»Das kann ich nicht. Ich brauche nur die Tür zu öffnen und die Tote zu sehen, dann weiß ich Bescheid. Man hat ihr das Herz genommen, verstehst du?«
»Ja, ja, ich weiß.«
»Und da streitest du noch alles ab!«
»Wäre ich sonst gekommen, Sinclair? Denk mal logisch. Du hast es doch angeblich gelernt. Du bist ein Bulle. Du hast Erfahrungen gesammelt. Widerspricht mein Verhalten nicht dem, was man mit dem Begriff Erfahrungen umschreibt?«
»Im ersten Augenblick deutet alles darauf hin? Aber ich bin von meinen Gegnern eine gewisse Raffinesse gewohnt. Die Spiele sind nicht normal, Dagmar, auch das hier war etwas, das von uns Menschen nicht bestimmt wurde. Wer bist du, wenn du keine Mörderin bist?«
»Ich gebe acht.«
»Als Gouvernante?«
»So ähnlich.«
»Darin hast du ja versagt. Henochs Inkarnation ist nicht gelungen. Stärkere Kräfte als er haben ihn vertrieben. Vielleicht ist sein Geist wieder in die Urzeit zurückgeschleudert worden, denn meine Helfer waren letztendlich stärker.«
»Dem kann ich nicht widersprechen«, gab sie zu. »Wir haben dich in der Tat unterschätzt. Vielmehr deine Waffe, auf die du dich verlassen hast.«
»Dann ist der Plan gescheitert.«
»Vorläufig ja«, gab sie zu. »Aber der Fall ist noch nicht beendet.«
»Stimmt. Denn ich muß noch einen verfluchten Killer finden. Und das werde ich.«
Bisher hatte ich mich an der Wand aufgehalten, die mir so etwas wie Deckung gab.
Nun trat ich in den breiten Gang hinein und blieb auf dem Teppich stehen.
Dagmar rührte sich nicht.
Sie schaute mir nur entgegen, sie zeigte seltsamerweise keine Angst, und die Unsicherheit in mir nahm zu. Sollte ich tatsächlich auf der ganzen Linie falsch liegen? Hatte ich verkehrt gedacht?
Mischte etwa noch eine dritte Kraft mit?
Ausschließen konnte ich nichts. Dafür hatte ich einfach zu viele Überraschungen erlebt, aber ich hatte mich nach wie vor darauf eingerichtet, daß Dagmar ein falsches Spiel trieb.
Auch sie veränderte ihren Standort. Mit leicht zögernden Bewegungen ging sie drei Schritte vor, blieb dann stehen, um mir ins Gesicht zu schauen.
Wir starrten uns an.
Ich wußte von mir, daß mich die letzten Stunden gezeichnet hatten, der Kelch war auch nicht an ihr vorübergegangen. Sie sah längst nicht mehr so sicher und frisch aus wie sonst. Ihr Blick flackerte, sie bewegte die Lippen, ohne etwas zu sagen. Insgesamt wirkte sie wie jemand, der eine schreckliche Furcht hatte, daß in naher Zukunft etwas Grausames geschehen konnte.
Beinahe hatte ich den Eindruck, als wäre sie gekommen, um mich um Hilfe zu bitten.
Es kostete sie Überwindung, eine bestimmte Frage zu stellen. »Können wir uns darauf einigen, daß du mich als Mörderin nicht akzeptierst, Sinclair?«
»Nur schwer.«
Wütend schüttelte sie den Kopf. »Es ist aber wichtig, verdammt! Sehr wichtig sogar.«
»Warum?«
»Glaub es mir!«
Sie stieß die drei Worte wütend hervor und holte einige Male tief Luft. »Auch ich bin reingelegt worden.«
»Von wem?«
»Ich weiß es nicht. Deshalb ist es ja wichtig, daß wir beide
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