0744 - Die Verwandlung
heranzuschaffen.«
»Hat der Verdacht einen Namen?«
»Ich will es mal allgemein ausdrücken«, erwiderte sie und wiegte den Kopf. »Der Mörder ist eine Kreatur der Finsternis. Das muß dir vorerst reichen.«
»Nein.«
»Du wirst dich damit abfinden müssen, Sinclair, auch wenn es dir schwerfällt.«
»Gut, ich finde mich damit ab. Zumindest vorerst. Ich möchte nur wissen, weshalb du zu mir gekommen bist und nicht die Flucht ergriffen hast, denn für euch ist alles gelaufen. He noch wurde wieder zurückgeschleudert, ihr steht noch schlechter da als am Beginn. Was genau hat dich zu mir getrieben?«
»Die Sorge um Elohim!«
Das war mir neu, und sie sah genau, wie ich die Augen erstaunt öffnete und sie auch nicht schloß.
»Moment mal, du bist wegen des Jungen zu mir gekommen?«
Dagmar nickte. Sie schaute auch weiterhin zu Boden und sagte mit leiser Stimme: »Ich habe Angst um sein Leben. Ich kann mir vorstellen, daß der Killer auch ihn umbringt. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, so leid es mir tut.«
»Warum denn?«
»Weil seine Tarnung sehr leicht auffliegen kann.«
»Durch Elohim?«
»Richtig.«
»Aber auch durch dich, nehme ich an.«
Dagmar hob den Kopf, strich ihr Haar zurück und machte jetzt den Eindruck einer Frau, die sich entschlossen hatte, die gesamte Wahrheit zu sagen. »Ja, auch durch mich. Du siehst also, ich stehe ebenfalls auf seiner Liste. Dieser Killer wird versuchen, mich in dieser Nacht zu vernichten. Und ich werde ihm kaum widerstehen können, trotz meiner außergewöhnlichen Fähigkeiten.«
Bevor ich nachfragen konnte, worauf sich diese bezogen, überzeugte sie mich mit einem Beweis, denn durch ihren Körper huschte ein Zittern, und sie breitete gleichzeitig die Arme aus, als wollte sie mit ihren Fingerspitzen die Gangwände berühren.
Dann hob sie vom Boden ab.
Ich stand da und erlebte staunend den Vorgang einer Levitation. Die Körperschwere wurde subjektiv aufgehoben, und die Frau schwebte etwa in Kniehöhe über dem Teppich. Dann veränderte sich der Steigungswinkel, sie glitt zwar höher, kippte dabei leicht nach vorn, so daß sie schließlich von oben her schräg an mir herabschauen konnte. Dieses Phänomen war zumeist bei somnambulen Zuständen beobachtet worden, beim Schlafwandeln eben.
Es erstaunte mich außerordentlich, daß es diese Frau perfekt beherrschte. Andererseits erinnerte ich mich daran, einmal etwas über Henoch gelesen zu haben. Er war bei den alten Israeliten bekannt für diese Eigenschaft gewesen, wie Trismegistos bei den Ägyptern.
Ich schaute ihr zu.
Sie lächelte auf mich nieder.
Ich suchte nach Haß und Feindschaft in ihrem Gesicht, konnte aber nichts dergleichen entdecken.
»Nun?« fragte sie mich.
»Außerordentlich beeindrucken. Das schaffe ich nicht.«
Sie sank wieder zurück, gab ihrem Körper dabei Schwung und blieb auf den Füßen vor mir stehen.
Dann schleuderte sie ihr Haar zurück. »Es hat schon etwas für sich, wenn man lange bei einem Menschen tätig war, der sich mit tiefsinnigen Dingen beschäftigt.«
»Da möchte ich nicht widersprechen.«
»Dr. Sträter und Henoch waren seelenverwandt, und etwas von seiner Kunst hat er an mich weitergegeben.«
»Trotzdem saß er im Rollstuhl.«
»Das war sein Schicksal. Seinen Geist allerdings konnte es nicht beeinflussen.«
Ich spürte unter meiner Haut die Kälte. Hatte ich ihr Unrecht getan? Stand sie letztendlich doch auf meiner Seite? Nein, das nicht, denn Henoch wäre nicht den Weg gegangen, der auch der meine war.
»Deine Demonstration war beeindruckend«, gab ich zu. »Aber bringt uns das weiter?«
»Ich wollte dir nur beweisen, daß ich nicht zu den Kreaturen der Finsternis gehöre.«
»Das glaube ich nicht ganz.«
»Gut, schließen wir einen Pakt. Ich werde dir helfen, den Mörder der Frau zu fangen.«
»Was ist die Gegenleistung?«
»Ich möchte nicht, daß Elohim stirbt.«
»Es liegt nicht an mir. Je schneller du mich zu dieser Kreatur der Finsternis hinführst, um so geringer wird die Gefahr für deinen Schützling. Ist doch logisch.«
»Stimmt.«
»Gut, kommen wir zur Praxis.«
»Wo kann ich dich erreichen?« fragte sie.
Ich lachte sie an und gleichzeitig aus. »Bisher dachte ich, dir säße die Zeit im Nacken. Es käme dir auf Minuten an. Das scheint mir nicht so zu sein.«
Dagmar nickte. Sie gab mir im Prinzip recht. »Ich muß ihn darauf vorbereiten. Ich muß mit ihm allein reden. Er hat einen Schock bekommen. Er wird es nicht verkraften können, daß
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