0746 - Merlins Zauberbrunnen
lachenden und einem weinenden Auge. Weinend der Toten wegen und des materiellen Verlustes, lachend, weil er nicht sicher sein konnte, ob die Menschheit überhaupt schon reif genug war, mit der Technologie der Meeghs verantwortungsvoll umzugehen. Mit ihren Möglichkeiten, mit ihren Waffen…
Vielleicht war es besser so!
Zumal sie erst kurz zuvor einen gewaltigen Erfolg errungen hatten: Nicole Duval war es gelungen, den Erzdämon Astardis, Satans Ministerpräsidenten, zu töten. Jetzt musste sich Luzifer einen neuen Stellvertreter suchen… [6]
Nach einer knappen Viertelstunde erschien Nicole, Zamorras Lebensgefährtin, Sekretärin und Partnerin im Kampf gegen die Dunkelmächte in Personalunion. Ihre braunen Augen leuchteten vor Freude, als sie ihre Besucher sah.
Kurz darauf unterhielt sie sich angeregt mit der Silbermond-Druidin.
Zamorra und Gryf hatten es derweil vorgezogen, am Schachtisch dem Spiel der Könige zu frönen.
»Warte, Zamorra«, verkündete Gryf. »Dieses Spiel wirst du so schnell nicht vergessen.«
»Weil ich dich Matt setze«, behauptete der Meister des Übersinnlichen.
»Du siehst das falsch. Ich gewinne auf jeden Fall!«
»Und von was träumst du nachts, Gryf? Du hast die Weißen. Fang an.«
Die Schachfiguren waren kleine Wunder. Jedes einzelne stellte ein von Yakup Yalcinkaya handgeschnitztes Kunstwerk von unschätzbarem Wert dar. Aus diesem Grund behandelten Zamorra und Llandrisgryf die Figuren so vorsichtig, als würden sie mit rohen Eiern hantieren.
Zamorra war gerade dabei, Gryf Matt zu setzen, als ihn ein geistiger Stromstoß durchfuhr. Er ließ die schwarze Dame fallen und griff sich stöhnend mit beiden Händen an den Kopf.
Gryf blickte vom Schachbrett, auf dem die wenigen noch befindlichen Figuren umgefallen waren, zu Zamorra. »He, was ist los? Was hast du?«
Der Professor schüttelte den Kopf, als könnte er so die Schmerzen vertreiben. »Hast du nichts bemerkt? Ich dachte gerade, jemand würde mein Gehirn rösten«, keuchte er. Dann fuhr er mit beiden Händen am Genick entlang.
Gryf presste die Lippen zusammen. Bemerkt hatte er schon etwas, aber er war sich nicht sicher, was dies sein könnte.
»Es war wie ein telepathischer Hilferuf, aber ich konnte ihn nicht einordnen«, sagte er.
Teri und Nicole kamen zu ihnen.
Nicole war blass im Gesicht und musste sich erst einmal neben Zamorra setzen.
»Was ist mit dir, Cheri?«, erkundigte sich Nicole bei Zamorra. Sie hielt Merlins Stern in ihren Händen, Zamorras magisches Amulett. »Hast du das auch mitbekommen?«
»Was hast du empfangen?«, fragte Zamorra anstelle einer Antwort.
»Einen Hilferuf«, antwortete Nicole. »Jemand will Merlin töten!«
***
An'dean:
Ich kann mich nur an eine Situation in meinem Leben erinnern, wo es mir noch schlechter ging, als heute. Damals wurde ich mit der Gesichtslosigkeit bestraft. Niemand glaubte, dass ich das überstehen könnte. Ich hoffte selbst, dass ich daran sterben würde.
Ich bin nicht daran gestorben, wenigstens nicht ganz. Aber ein Teil von mir ist es sicherlich.
Fast hätte es mich erwischt, als ich die zweite Seelen-Träne zündete. Ich hätte sie weiter wegwerfen sollen. Aber die Überreste manifestierter Energie verstorbener k'oandarischer Zauberer haben ihren Zweck erfüllt. Die fünf die sich als Merlins Schutztruppe ausgaben, liegen am Boden. Hoffentlich sind sie nur bewusstlos. Es täte mir Leid, wenn ihnen etwas schlimmes geschehen wäre als die Verbrennungen, die man sehen kann.
Ich kann nur kurz ohnmächtig gewesen sein, denn bevor ich zusammenbrach, sah ich Sid Amos und einen zweiten Mann, den ich nicht kenne, am Waldrand stehen.
Nun stehen beide vor mir. Der andere Mann trägt eine Kutte und einen roten Schultermantel. Er hat einen langen weißen Bart.
Dieser Mann hilft mir beim Aufstehen.
»Wie geht es dir, An'dean? Kannst du schon wieder alleine stehen?«, fragt er mich.
Woher kennt er meinen Namen?
Das heißt, mein richtiger Name ist es erst seit meiner Bestrafung. Die Vorsilbe An' ist eine Bezeichnung für Überlebende der Gesichtslosenfolter.
Als ich so weit bin, dass ich mich gegen den Brunnen lehnen kann, kümmert er sich um Fenrir. Liebevoll streichelt er das Fell des sibirischen Wolfes. Er nimmt ihn in die Arme und spricht leise mit ihm.
»Hallo, alter Freund. Wo hast du so lange gesteckt? Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?« So fragt er leise und langsam.
Fenrir winselt und legt seinen Kopf auf die Schulter des fremden Mannes.
Weiß nicht
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