0749 - Drei Schöne für die Hölle
kein Licht mehr über die Blumen, das Gras oder die Sträucher hinweg. Im allmählich entschwindenden Tageslicht verschwammen die Umrisse miteinander und bildeten eine soßenartige Welt, aus der sich nur die Gerippe der Obstbäume hervorhoben wie längst skelettierte und dunkel gewordene Leichen, die noch einmal ihre Arme und Hände ausgestreckt hatten, als wollten sie Gnade erflehen.
Den Schuppen entdeckte sie nicht. Er lag einfach zu weit hinten und hatte sich längst in der dort herrschenden Dämmerung versteckt. Selbst die Konturen konnte sie nicht ausmachen.
Und doch bewegte sich etwas im Garten. Als Sheila dies feststellte, wich sie etwas zurück. Es war einfach der reine Schreck, der sie handeln ließ. Ein Tier jedenfalls war es nicht.
Nein, eine Gestalt…
Sie löste sich aus dem Zwielicht des Hintergrunds und schien die Farbe des Himmels anzunehmen, ein dunkles Grau, vermischt mit helleren Tönen, die wie lange Streifen in die Dämmerung hineingriffen. Bei der Gestalt aber bewegten sich die Streifen. Sie zuckten auf und nieder, glitten auch über den Boden und beleuchteten das Gras.
Es war der Schein einer Laterne, und sie wiederum schwankte in der Hand der einäugigen Geisterfrau.
Sheila schluckte. Bitternis spülte durch ihre Kehle und dann in Richtung Magen.
Ja, sie war da, sie lauerte. Wie hätte es auch anders sein können. Sie war die Hüterin dieses verdammten Hauses, und als Sheila noch einmal hinschaute, da bewegte sich das Licht nicht mehr.
Es bildete eine Insel.
Vor und unter ihrem Fenster.
Sheila atmete heftiger. Sie schielte nach unten. Lady Bancroft schien die Bewegung gesehen oder geahnt zu haben, denn im gleichen Augenblick hob sie den Blick.
Ihr Gesicht war bleich wie das eines Toten, der gerade erst gestorben war und dessen Lippen noch einmal bei einem letzten Zucken ein kaltes Lächeln produzierten…
***
Bill Conolly wurde immer nervöser, als er merkte, daß die Sonne verschwand und die Dämmerung nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.
Er hockte vorgebeugt im Rückraum des BMW und rieb nervös seine Hände. Immer wieder drehte er den Kopf und schaute zu beiden Seiten aus den Fenstern.
Suko fuhr, und ihm tippte er auf die Schulter. »Kannst du nicht noch mehr Gas geben?«
Der Inspektor gab keine Antwort. Dafür drehte ich mich um. »Bill, wir tun unser Bestes.«
Er schaute mich an. »Ja, verdammt, das weiß ich. Aber wenn Sheila sich noch länger…«
»Warte erst einmal ab.«
Bill lehnte sich zurück. Mit einem Taschentuch wischte er über seine Stirn. »Abwarten«, murmelte er. »Du glaubst nicht, wie ich dieses Wort hasse.« Er nahm die Straßenkarte hoch und ließ sie wieder fallen. »Es dauert nicht mehr lange, dann erreichen wir ein Waldstück. Dahinter muß das Haus dann liegen.«
»Hast du schon einen Plan, wie du vorgehen willst?« fragte Suko. Er fuhr langsamer an eine Kreuzung heran und folgte dem bleichblassen Licht der Scheinwerferstrahlen, die wir sicherheitshalber eingeschaltet hatten.
Ich nickte. »Den habe ich.«
»Und?«
»Mein Vorschlag ist, daß wir nicht wie die Wilden losstürmen und irgendwen auf uns aufmerksam machen. Das könnte zu leicht ins Auge gehen.«
»Einverstanden.«
Bill meldete sich vom Rücksitz. »Ich aber nicht so unbedingt, John. Je länger wir warten, um so mehr Zeit verlieren wir. Denk doch an Sheila. Die hockt inmitten eines Wespennestes.«
Suko hielt an der Kreuzung an. Ich drehte mich so gut wie möglich auf dem Sitz und schaute nach hinten. Bills Gesicht war schweißnaß. Seine Augen flackerten nervös, und er litt sehr, denn er wußte ja nicht, in welch Lage sich Sheila manövriert hatte.
»Ich weiß, was du denkst, Bill. Ich bin auch der letzte, der kein Verständnis für dich hätte, aber in diesem Fall müssen wir überlegt vorgehen.«
»Sehe ich ein, John, sehe ich ein. Nur möchte ich gern nahe an das verdammte Haus heran.«
»Das wirst du auch können. Zudem haben wir es nicht mehr weit.«
»Fahr nach rechts, Suko.«
»Bin schon dabei.«
Der BMW rollte wieder langsam an und in das Waldgebiet hinein, von dem wir vorhin gesprochen hatten. Auch tagsüber würde das Laub der Bäume wenig Sonnenlicht durchlassen. Jetzt aber, wo die Dämmerung Einzug hielt, war es beinahe schon finster. Da zeigten sich die Schatten wie gewaltige Mauern, die hoch bis zu den Kronen glitten und sich mit ihnen vereinten, als wären von zwei verschiedenen Seiten Riesenhände gegeneinander gelegt worden, um so einen
Weitere Kostenlose Bücher