0749 - Drei Schöne für die Hölle
genug für sie. Heute abend machen wir in Theorie, und es wird sehr gemütlich werden, darauf kannst du dich verlassen. Freu dich schon.«
»O ja«, sagte Sheila. »O ja, wie ich mich freue. Ich springe bald an die Decke.«
»Laß deinen Sarkasmus, bitte.«
»Sehe ich gar nicht ein. Du weißt, daß ich deine Meinung nun mal nicht teile.«
»Leider.«
»Darf ich dann auf mein Zimmer gehen?«
Jolanda schüttelte den Kopf. »Was soll das denn bedeuten? Dumme Frage, ehrlich.«
»Bis später.« Sheila lächelte mit geschlossenem Mund, nickte ihr noch einmal zu und drehte sich um. Als sie die Treppe nach oben schritt, da spürte sie deutlich, wie Jolanda ihr nachschaute. Deren Blick brannte auf ihrem Rücken.
Sheilas Beine fühlten sich schwer an, als sie die Stufen nahm. Dieses Haus hatte für sie längst seinen Charme verloren. Es wirkte jetzt wie eine finstere Höhle, in der geheimnisvolle Feinde lauerten.
Jolandas Worte hatten sie längst nicht beruhigen können. Es waren genau die falschen gewesen. Sie und das Verhalten der Freundin hatten Sheila in dem Vorsatz bestätigt, daß da etwas nicht mehr mit ihr stimmte.
Sie war ›umgedreht‹ worden. Das konnte Sheilas Meinung nach nur die Geisterfrau geschafft haben.
Auf dem ersten Absatz blieb sie stehen. Sie schaute durch das kleine Fenster und stellte fest, daß die Sonne dabei war, sich zu verabschieden. Sie sandte ihre letzten Strahlen flach über das Land. Schatten der Dämmerung lauerten überall, um den wunderschönen Tag zu töten.
Sheila schluckte. Schweiß stand auf ihrer Stirn. Sie fürchtete sich nicht nur allein vor der Nacht, auch in der Dämmerung konnten unheimliche Dinge geschehen, wenn die Schatten ein geheimnisvolles Zwielicht bildeten, in dem sich die Kräfte der jenseitigen Welten besonders wohlzufühlen schienen.
Sie wandte sich ab, um den zweiten Treppenabsatz hochzugehen. Sheila wollte zunächst in ihrem Zimmer bleiben, um dort in Ruhe nachdenken zu können. Daß sie da nur theoretisieren konnte, war ihr klar. Sie würde versuchen, sich bestimmte Vorgänge vorzustellen, die eintreten konnten, und dann überlegen, wie sie sich bei derartigen Dingen am besten verhielt.
Nach Überwinden der letzten Stufe blieb sie stehen. Ihr Blick fiel in den Flur.
Sie kannte ihn nur bei Tageslicht. Jetzt, wo kein Sonnenstrahl mehr durch die Scheiben drang, da kam er ihr düster vor. Wie ein mit Schatten gefüllter Schlauch, wobei sich die grauen Wolken durch die Wände quälten und den Flur zu einer geheimnisvollen Welt für sich gemacht hatten.
Sheila fürchtete sich nicht direkt, obwohl sie ein kühler Hauch überkam.
Es war auch niemand da, der sie am Ende des Flurs oder vor ihrer Tür erwartete, dennoch schielte sie dorthin, wo die Zimmer der Models lagen, aber auch deren Türen waren geschlossen.
Alles wirkte normal, harmlos, eigentlich zu harmlos…
Von unten hörte Sheila nichts mehr. Ihre Freundin verhielt sich so still, als hätte sie ein schlechtes Gewissen. Sheila wußte auch, daß Jolanda nicht mehr auf ihrer Seite stand, die hatte sich für den anderen Weg entschieden.
Sie wollte trotzdem in ihr Zimmer gehen und dort nachdenken. Sie fragte sich zudem, wie die Nacht verlaufen würde. Sicherlich hatten die anderen etwas ausgeheckt, das der geheimnisvollen Geisterfrau und auch dem Teufel gefallen konnte. Das waren Dinge, an die Sheila lieber nicht denken wollte.
Es war nicht still auf dem Flur.
Sie hörte Geräusche, nur konnte sie nicht herausfinden, von wo sie kamen.
Sie waren einfach da…
Flüstern, wispern, sprechen. Stimmen, die jede für sich sprachen und nur an der rechten Seite zu hören waren, wo auch die Zimmer der drei Models lagen.
Sheila blieb vor der ersten Tür stehen. Sie legte ihr Ohr dagegen. Das Flüstern im Raum war laut genug, um auch von ihr verstanden werden zu können. Besonders der letzte Satz, der das Ende eines Reims bildete.
»Aus zehn mach eins, das ist das Hexeneinmaleins…«
Sheila schluckte. Sie richtete sich auf. Sie wußte Bescheid, denn auch sie hatte Goethes Faust gelesen, in dem die Hexe ihren Zaubertrank bereitete, der Faust die Jugend zurückbringen sollte und mit dem Hexeneinmaleins ›gesegnet‹ war.
Wer es in diesem Zimmer gesprochen hatte, wußte Sheila nicht. Eine von den drei Mädchen. Aber ihr war durch diese Worte klargeworden, daß keine von ihnen auf ihrer Seite stand. Die Geisterfrau mußte für neue Diener gesorgt haben.
Sie ging weiter.
Diesmal mit einem kalten Schauer
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