075 - Die Schöne und der Höllenwolf
Taxifahrer, Tuvvana? Hast du ihn auch gesehen?«
»Ja, natürlich«, antwortete die Kleine.
»Würdest du ihn uns beschreiben?«
»Er war dick, hatte eine breite Knollennase, wulstige Tränensäcke und graues Haar.«
»Der müßte doch zu finden sein«, sagte ich. »Tuvvana, wenn du dir vielleicht auch noch das polizeiliche Kennzeichen des Taxis gemerkt hast, wirst du zum Kuß herumgereicht. Boram lassen wir natürlich aus.«
Die Kleine seufzte leise. »Tut mir leid, Tony. Aber auf die Nummer habe ich nicht geachtet.«
»Das macht nichts. Der Fahrer muß sich auch so finden lassen. Und wenn wir ihn aufgetrieben haben, fragen wir ihn, wohin er Xarr gefahren hat. Ich könnte mir vorstellen, daß uns das einen großen Schritt weiterbringt.«
***
Sie hieß Sharon Griffith, war einundzwanzig Jahre alt, naturblond und überdurchschnittlich hübsch. Ihr Elternhaus war nicht das allerbeste gewesen. Während ihr Vater nächtelang in Kneipen herumlungerte und das ganze Geld verspielte, das er als Hafenarbeiter verdiente, empfing ihre Mutter »gute Freunde«, wie sie sagte.
Sharon war damals noch zu klein gewesen, um zu begreifen, was ihre Mutter mit diesen Freunden machte, wenn sie sich mit ihnen ins Schlafzimmer zurückzog.
Es gab ein striktes Verbot: Wenn solche Freunde da waren, durfte Sharon das Schlafzimmer nicht betreten.
Sie hielt sich daran, obwohl ihr manchmal war, als würde Mutter um Hilfe rufen. Wenn Mutter aber später aus dem Schlafzimmer trat, sah sie nicht so aus, als hätte sie Hilfe gebraucht. Sie wirkte glücklich und zufrieden.
Irgendwann begriff Sharon, was hinter der geschlossenen Tür vor sich ging. Sie wußte, was das Keuchen der Männer und das Knarren des Bettes zu bedeuten hatte, und sie zog sich angewidert von ihrer Mutter zurück.
Heute dachte sie anders über diese Dinge.
Ihre Eltern, die nicht mehr lebten, hatten ihr nicht viel auf den Lebensweg mitgegeben. Nur ein gutes Aussehen und einen phantastischen Körper.
Mit siebzehn erkannte sie, daß das ein nicht zu unterschätzendes Kapital war. Wenn sie es richtig einsetzte, würde es sich gut verzinsen.
Sie kam zu der Erkenntnis, daß man im Leben nur das in die Waagschale warfen konnte, was man besaß, und so begann sie sich anzubieten.
Mochten die Leute über sie denken, was sie wollten. Sharon kümmerte sich nicht darum. Ihr ging es in erster Linie darum, auf bequeme Art überdurchschnittlich viel Geld zu verdienen, und das war ihr mit jener Tätigkeit, die sie ausübte, möglich.
Es gab Leute in der Nachbarschaft, die sie verdammten und verachteten. In ihren Augen waren das Spießbürger, über die sie nur lachte. Sie kannte die doppelbödige Moral dieser Menschen. Da waren Ehepaare, die auf die andere Straßenseite hinüberwechselten, um ihren Gruß nicht erwidern zu müssen. Die Frauen machten empörte Gesichter, während ihr die Männer heimlich begehrliche Blicke zuwarfen. Sehr gern hätten sie einmal ein Mädchen wie sie im Arm gehalten. Aber davon würden sie ihr Leben lang nur träumen.
Die ersten Jahre hatte Sharon in einer kleinen Wohnung verbracht, doch nun gehörte ihr bereits ein eigenes kleines Haus, in das sie schon einiges Geld gesteckt hatte.
Der Erfolg konnte sich sehen lassen. Im Wohnzimmer standen solide Möbel. Teppichboden, Tapeten und Vorhänge bildeten eine in Farbe und Muster aufeinander abgestimmte Einheit. Es gab zahlreiche Beleuchtungskörper, so daß man den Raum nach der jeweiligen Stimmung in das entsprechende Licht tauchen konnte.
Sharon hatte keinen Innenarchitekten gebraucht, um den Raum geschmackvoll auszustatten. Sie hatte dem Ganzen ihren eigenen Stempel aufgedrückt und wohnte heute so, wie sie es als Kind nie gekonnt hatte.
Das Haus hatte nur einen einzigen Nachteil: Es stand direkt neben einem kleinen alten Friedhof, aber das störte Sharon Griffith nicht. Sie hatte keine Angst vor den Toten. Das Leben hatte sie gelehrt, daß man vielmehr die Lebenden fürchten mußte.
Sie hatte ihr Geschäft mit viel Geschick ausgebaut. Kellner und Barkeeper wählten für sie die Kunden aus. Sharon hatte es nicht nötig, jeden zu akzeptieren. Das wußten ihre Freunde, und sie schickten ihr nur Freier, von denen sie wußten, daß sie mit ihnen ins Geschäft kommen würde.
Natürlich bezahlte Sharon dafür. Eine Hand wäscht die andere, und man kann nicht nur nehmen, ohne zu geben.
Sie trug einen weißen Seidenanzug, hielt in der linken Hand eine Zigarette, in der rechten einen Drink und erwartete
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