075 - Die Schöne und der Höllenwolf
hatte ich einen Namen: David Vaughn.
»Gleich kriege ich vor lauter Kummer Sodbrennen«, sagte ich zu Roxane.
Ich brauchte ihr nicht zu erklären, wer David Vaughn war. Sie wußte es. Und wir wußten beide, daß der bekannte Politiker mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nun ein Höllenwolf war.
***
Robert Gless war rothaarig und übergewichtig. Ein Mann, der in der Politik schon viel erlebt hatte. Ihn konnte so leicht nichts mehr aus der Fassung bringen.
Er besaß die großartige Gabe, Trends rechtzeitig zu erkennen, und deshalb hatte er sämtliche Strömungen relativ gut überstanden. Vor langer Zeit schon hatte er die Erfahrung gemacht, daß es nicht ratsam war, einen wahren, echten Freund zu haben, zu dem man dann auch in allen Lebenslagen stehen mußte. Denn gerade dieser Freund konnte aus irgendeinem Grund ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit geraten, und wenn man sich dann nicht schnell genug von ihm zurückzog, konnte man mit ihm nur noch untergehen.
Wer in der Politik überleben wollte, mußte so tun, als wäre jedermann sein Freund, doch sobald sich eine Krise abzeichnete, mußte er sich klar und deutlich von dem Betreffenden distanzieren.
Bisher hatte Gless diese ungeschriebenen Gesetze stets beachtet.
Nur bei David Vaughn hatte er eine Ausnahme gemacht, denn mit David verband ihn eine Freundschaft von frühester Jugend an. Daß ihre Karrieren sie in getrennte Lager geführt hatten, versuchte Gless zu ignorieren.
Ein Freund sollte doch wenigstens erlaubt sein.
Gless zündete sich eine Zigarre an und warf einen Blick auf die große alte Standuhr neben der Tür. David würde in Kürze eintreffen.
Sie würden sich überlegen müssen, wie sie ihre Freundschaft retten konnten.
Gless war nicht gewillt, David Vaughn aufzugeben. Irgendwie hatte dieser ihn stets fasziniert. Schon früher war für ihn David Vaughn immer etwas Besonderes gewesen. Einer, der aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt war.
Manchmal beneidete er den Freund und seine vielen Fähigkeiten. Wie David die schwierigsten Klippen scheinbar mühelos umschiffte, war sagenhaft. Er hatte Format und wußte zu überzeugen. Nicht nur den kleinen Mann auf der Straße, sondern auch die Füchse in der Parteispitze.
Nein, niemand durfte von ihm verlangen, daß er mit David Vaughn brach, nur weil dieser in einem politisch anders orientierten Lager stand.
Irgendwo sollte man auch Mensch bleiben dürfen, sagte sich Robert Gless und er freute sich auf den Besuch des Freundes. Die derzeit hochschlagenden Wellen würden sich auch wieder glätten. Dann würde es keinen mehr stören, wenn er sich im Club mit David zum Essen traf.
Man mußte in diesem Beruf vor allem auch warten können. Nicht immer waren es die Stürmer und Dränger, die zum Erfolg gelangten. Zumeist waren es jene, die mehr Geduld aufbrachten und den richtigen Zeitpunkt abwarteten.
Gless zog an der Zigarre. Dick, lang und teuer war sie, und sie schmeckte ihm ganz hervorragend. Er liebte den Luxus, die Annehmlichkeiten des Lebens, die man mit Geld kaufen konnte. Er würde immer danach streben.
Sein Haus stand in Renbridge an der Themse. An schönen, sonnigen Tagen war der Ausblick malerisch. Heute sah man keine zehn Meter weit.
Ihm gehörte ein schnittiges Motorboot, mit dem er häufig unterwegs war. Oft ganz allein. Er brauchte nicht immer Gesellschaft, um sich wohlzufühlen. Manchmal war die Einsamkeit wesentlich wohltuender. Er wußte von Sharon Griffith, doch er würde das niemals publik machen. Seiner Ansicht nach war David diesbezüglich ein bißchen leichtsinnig. Sollten die richtigen Leute davon Wind bekommen, wie er sein Liebesleben gestaltete, würden sie ihn an den Pranger stellen, und es würde sehr schwierig - selbst für David Vaughn - sein, sich von den Vorwürfen der Moralisten reinzuwaschen.
Gless hatte das dem Freund schon mehrmals gesagt, doch in diesem Punkt war David unbelehrbar.
Ein Motorgeräusch stahl sich durch den Lärm des Gewitters. Augenblicke später schlug der schwere Metallklopfer an die Tür.
Das konnte nur David Vaughn sein. Gless verließ den Living-room, um den Freund einzulassen…
***
Schon einmal war mir an diesem Tag der Name Vaughn eingefallen, und zwar, als ich die Baustelle aufsuchte, auf der Harold Janssen arbeitete. Wie das Leben doch manchmal die verrücktesten Zufälle gebiert.
Vor zwei Stunden hätte ich noch nicht im Traum daran gedacht, daß ich mich mit dem Politiker würde beschäftigen müssen.
Was heißt
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