0751 - Gespenster der Nacht
schlug mir auf die Schulter, wie der Lehrmeister bei den Fallschirmspringern, wenn er sie nach draußen entlässt.
Ich drehte mich nach links, sodass ich aus der schattigen Deckung herauskam, und ich schritt auf das Portal zu. Wenn jemand aus dem Fenster schaute, konnte er mich jetzt als dunkle Gestalt sehen, die den direkten Weg zur Burg eingeschlagen hatte.
Ich versuchte, meine Gefühle zu unterdrücken, was natürlich nicht einfach war. Man hatte mich auf eine raffinierte Art und Weise hergelockt, und ich war natürlich gespannt, wer mich erwartete, ob dieser Mann mit dem auf dem Gemälde identisch war. Ich wurde zudem den Eindruck nicht los, dass er mich kannte, ganz im Gegensatz zu mir, denn ich hatte ihn zuvor nicht gesehen.
Oder hing dies alles mit Dracula II zusammen? Hatte sich Will Mallmann einen besonderen Plan ausgedacht, um mich fertig zu machen? Ihm traute ich alles zu, aber diesen Gedanken wollte ich zunächst nicht fortführen. Ich wollte mich nicht jetzt schon verrückt machen lassen, strich aber sicherheitshalber über mein Kreuz, das ich in die Jackentasche gesteckt hatte. Es zeigte keine Erwärmung, demnach lauerte auch keine schwarzmagische Macht in der Nähe.
Riesig wuchs das Gebäude vor mir auf. Es stand da wie für alle Zeiten gebaut. Es hatte bisher allen Stürmen getrotzt und seine Türme ragten als starke Arme in den Nachthimmel.
Auch jetzt, wo ich näher an das Ziel herangekommen war, sah ich keinen Lichtschein hinter den dunklen Fenstern. Die gesamte Burg schien nur aus Schatten zu bestehen, die sich in eisiger Luft gefestigt hatten.
Es wehte kaum Wind. Nur ein laues Lüftchen strich über das Unkraut hinweg und kämmte die Spitzen. Durch das Mondlicht hatten sie einen bestimmten Glanz angenommen, der ihre obere Hälfte aussehen ließ wie mit einem dünnen Frostfilm überzogen.
Kalt war es auch in meinem Innern. Ich hatte die Emotionen zurückgedrängt und konzentrierte mich einzig und allein auf ein bestimmtes Ziel. Trotzdem gab ich nicht genügend Acht und hätte die Stufen vor dem Portal beinahe übersehen. Über die erste stolperte ich hinweg, kam mir wie ein Tölpel vor, hielt mich aber und war dann sehr vorsichtig, als ich den letzten Schritt ging.
Er brachte mich bis dicht vor das Portal.
Dick, wuchtig und unüberwindbar sah es für mich aus. Ich entdeckte weder eine Klinke, ein Schloss noch einen Klopfer, sondern zwei eiserne Griffe, die so weit vorstanden, dass ich sie ohne Schwierigkeiten umfassen konnte.
Ich griff nur mit einer Hand zu, und zwar mit der rechten. Über meine Haut scheuerte der Rost, als ich zog – und gleichzeitig überrascht war, wie leicht mir die Tür entgegenschwang.
Ich merkte den Schauder im Nacken, als ich in die düstere Leere einer Halle schaute. Grau in Grau lag sie vor mir. Nicht den kleinsten Umriss eines Möbelstücks nahm ich wahr. Eine sehr feuchte Kühle wehte mir entgegen, vermischt mit einem widerlichen Geruch, der mich an alte Lumpen und allmählich verfaulendes Fleisch erinnerte. Hier konnte sich kein Mensch wohl fühlen. So etwas musste einfach eine Heimat der Blutsauger sein.
Ich trat durch den Spalt und drückte meinen Fuß nach hinten, als die Tür wieder zuschwang. Mit der Sohle stützte ich sie für einen Moment ab, dann glitt sie wieder zu.
Ich hatte die Burg betreten! Jetzt musste sich derjenige zeigen, der das Gemälde geschickt hatte, falls er nicht zu feige war.
Stille umgab mich. Kühl, bedrückend und leer. Die Stille eines großen Raumes, der es nicht gewohnt war, dass sich zwischen seinen Wänden viele Menschen aufhielten.
An der Tür blieb ich nicht stehen. Den ersten langen, aber auch so gut wie lautlosen Schritt setzte ich auf den Steinboden und konnte zum ersten Mal etwas erkennen, denn so stockfinster war es in der Halle nun doch nicht.
Etwa in der Mitte, zwischen Tür und dem für mich schwach erkennbaren Ansatz der Treppe, lag ein dunkler Gegenstand am Boden, sehr unförmig und einfach wie weggeschleudert wirkend.
Damit konnte ich nichts anfangen, aber er war zumindest so etwas wie ein Ziel.
Ich bewegte mich auf möglichst leisen Sohlen darauf zu und merkte schon sehr bald, dass sich der widerliche alte Körpergeruch verstärkte. Als würde etwas verwesen.
Der Druck im Magen nahm zu. Ein muffiger Geschmack durchwehte meinen Mund. Von beidem ließ ich mich nicht abhalten.
Dicht vor dem Gegenstand blieb ich stehen und stieß mit der Fußspitze gegen ihn. Durch den leichten Druck bewegte sich Holz
Weitere Kostenlose Bücher