0751 - Gespenster der Nacht
störten. Sie hingen an der bleichen Gestalt wie Kletten, sodass von dem Blutsauger so gut wie nichts zu erkennen war. Er sah aus, als hätte man ihn in einen dunklen Teppich gesteckt, der weit bis über seinen Kopf reichte.
Der Vampir schlug um sich.
Gespannt beobachtete der Kommissar die doch sehr matten Bewegungen des Blutsaugers. Er hatte seinen Körper nach vorn gebeugt, er bewegte seine Arme und schlug mit den Händen um sich, traf auch hin und wieder einen der gefährlichen Flattermänner, ohne ihn allerdings vernichten zu können. Er hämmerte sie zu Boden, wo sie für einen Moment liegen blieben und dann wieder in die Höhe stiegen.
Vom Mauerwerk lösten sich immer mehr dieser schwarzen Tiere und segelten auf ihn zu. Sie sorgten für eine weitere Zunahme des öligen Pelzes, machten ihn sehr dick, und Harry war klar, dass auch ein Vampir irgendwann unter dem Druck zusammenbrechen musste. Darauf wartete er.
Er betete, dass ihn die Fledermäuse nicht entdeckten. Eigentlich hätten sie längst seinen Geruch aufnehmen müssen, aber noch flogen sie über ihn hinweg, wenn sie sich aus dem dichten Verbund an der Wand gelöst hatten.
Noch immer hütete er sich vor einer Bewegung. Selbst auf ein Zwinkern der Augen verzichtete er, obwohl ihm der starre Blick schon beinahe schmerzte.
Der Vampir kämpfte weiter. Seine Bewegungen veränderten sich kaum, sie wurden auch nicht matter.
Harry wusste, dass er nicht so reagierte wie ein Mensch. Normalerweise konnte er nicht an Kraft verlieren, es sei denn, man hätte ihn durch Knoblauch oder andere Mittel geschwächt.
Manchmal gelang es ihm auch, eine Fledermaus zu erwischen.
Dann drückte er die Hände zu Fäusten zusammen und zermalmte das Wesen zu einem schwarzen Brei.
Schreie waren nicht zu hören. Nur das Flattern der zahlreichen Schwingen, das zu einem mächtigen Brausen geworden war und sich auch verlagerte, denn nicht alle Fledermäuse griffen den Blutsauger an.
Zahlreiche stoben in den dunklen Himmel hinein. Vor dem runden Mond malten sich ihre gezackten Schwingen wie eine Kulisse ab, die schon einem Bühnenbild gleichkam.
Dann fiel der Blutsauger. Ob er gestolpert war und die Fledermäuse nachgeholfen hatten, war nicht zu erkennen gewesen. Jedenfalls landete er auf dem Boden, wollte wegkriechen. Dagegen hatten die kleinen Bestien etwas.
Aus dem Pulk im Mauerwerk bekamen sie noch einmal Nachschub und fielen wie ein schwarzes Tuch auf die anderen, mit denen sie sich auf dem Körper des Blutsaugers wilde Kämpfe lieferten, denn jedes Tier wollte wenigstens den einen oder anderen Tropfen Blut schlecken.
Am liebsten hätte Harry Stahl über diesen paradoxen Irrsinn gelacht. Es war einfach nicht zu glauben. Da wurde ein Blutsauger von seinen Artgenossen angegriffen.
Die Fledermäuse tranken und zuckten dabei. Es sah so aus, als würden durch die ölig schimmernden Körper Stromstöße wandern, von denen keiner so stark war, dass er die kleinen Bestien hätte vertreiben können.
Sie blieben an der Beute. Sie saugten weiter, sie bissen, und Harry dachte darüber nach, ob die Zeit gut für ihn war, sich aus dem Staub zu machen. Klammheimlich verschwinden, den Rückweg antreten und von der Vorderseite das Schloss betreten, um mit John Sinclair zusammenzutreffen.
Der Plan klappte nicht.
Schuld daran trugen die zahlreichen Fledermäuse, die wohl genug Blut aus dem Vampir herausgeholt hatten und bei ihm nichts mehr fanden. Bis auf den letzten Tropfen war er von seinem fremden Blut befreit worden, und die kleinen Bestien schwirrten plötzlich in die Höhe, als hätten sie einen Befehl erhalten.
Stahl schaute auf den Wirrwarr an zuckenden, sich bewegenden Schwingen, er verspürte noch den Luftzug, der gegen sein Gesicht fächerte, duckte sich unwillkürlich, was er nicht gebraucht hätte, denn an ihm zeigten die Gespenster der Nacht kein Interesse. Sie bewegten sich wieder auf die Hauswand zu, um dort ihre Plätze einzunehmen. Diesmal – so glaubte er – flogen sie wesentlich langsamer. Das Blut hatte sie schwerer werden lassen, sie waren satt.
Zuletzt lösten sich die Fledermäuse vom Gesicht der Gestalt. Der Vampir lag rücklings im Gras. Harry konnte sein Gesicht sehen. Es sah nicht mehr so bleich aus wie zuvor, sondern zeigte ein dunkles Muster. Das hatten die Bisse der Fledermäuse hinterlassen.
Es drängte den Kommissar natürlich, seinen Beobachterposten zu verlassen, doch er hielt sich noch zurück. Auf keinen Fall wollte er zu früh losgehen, denn er
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