0751 - Gespenster der Nacht
dachte an die Fledermäuse, die sich nicht auf die Gestalt gestürzt hatten, sondern dem Mond entgegengesegelt waren. Sie lauerten möglicherweise nur auf eine Bewegung am Erdboden.
Minuten verstrichen und der Blutsauger rührte sich nicht.
Allmählich verging auch Harrys Aufregung. Seine rechte Hand war durch das Festhalten der Pistole starr geworden. Erst jetzt ließ er sie langsam sinken, dann steckte er die Waffe weg, war aber bereit, sie sofort wieder zu ziehen.
Nach dem lauten Flattern der Flügel kam ihm die Stille gespenstisch vor. Sie drückte auf sein Gemüt. Er lauerte darauf, ein Geräusch zu hören.
Da war nichts. Nur der eigene Atem…
Harry schaute noch einmal in drei Richtungen und suchte dort nach einer Gefahrenquelle. Er konnte aufatmen, nichts war mehr auf dem Weg zu ihm. Die Fledermäuse hielten sich zurück. Die Finsternis der Nacht hatte ihre Freunde verschluckt.
Er hatte sich den bewegungslosen Blutsauger als Ziel ausgesucht.
Harry wollte unbedingt wissen, was mit ihm geschehen war, ob es möglich sein konnte, dass ein Vampir von einem anderen vernichtet wurde. Wenn ja, wäre das ein Novum gewesen, das sogar einem Mann wie John Sinclair das Staunen beigebracht hätte.
Sehr vorsichtig bewegte er sich. Geduckt, immer wieder den Kopf drehend, ohne eine Gefahrenquelle für sich entdecken zu können.
Das ließ ihn mutiger werden. Mit drei schnellen Schritten überwand er den Rest der Distanz.
Das Mondlicht schien hell genug, um auf die Lampe verzichten zu können. Als er die bewegungslose Gestalt erreicht hatte, kniete er neben ihr nieder.
Sehr deutlich sah er das Gesicht. Es hatte sich verändert. Die Bleichheit war verschwunden. Jetzt sah es aus wie zerhackt, als hätte jemand mit einem Messer rohes Fleisch bearbeitet.
Harry konnte all die Wunden gar nicht zählen, die sich auf dem Gesicht ausbreiteten. Es gab auch kaum Zwischenräume, da ging eine Wunde in die andere über, und wo sich noch ein Zwischenraum hätte befinden können, wurde er von einem dünnen Blutfilm überdeckt. Grauenhaft.
Harry konnte kein Mitleid empfinden. Umgekehrt wäre es ebenso gewesen.
Nicht nur das Gesicht war von den nadelspitzen Fledermauszähnen zerhackt oder perforiert worden, auch die Arme, die Hände, an sich jede freie Stelle am Körper des Blutsaugers.
Die kleinen, geflügelten Bestien hatten sehr genau gewusst, wo sie hinbeißen mussten.
Der Kommissar richtete seinen Blick gegen die Augen. Ein menschlicher Ausdruck war aus ihnen verschwunden. Sie glichen starren Kugeln oder künstlichen Perlen. Nichts mehr war darin zu lesen.
Auch in die Haare hatten sich die Fledermäuse hineingewühlt.
Teilweise sogar büschelweise ausgerissen, um die blanke Kopfhaut präsent zu haben. Dort hatten sie dann gebissen und die ausgesaugten Wunden hinterlassen. Harry schüttelte sich noch im Nachhinein, als er das sah.
Existierte der Blutsauger noch? Er wusste es nicht.
Jedenfalls regte sich der Vampir nicht. Er lag wie tot auf dem Rücken und erinnerte an ein Brett. Aber auch ein normaler Vampir konnte sich durchaus so verhalten, und der Kommissar wollte auf Nummer sicher gehen.
Wieder zog er seine Waffe.
Eine geweihte Silberkugel in das Herz hineingeschossen, würde für den Blutsauger die endgültige Vernichtung sein. Das war haargenau der Weg.
Harrys Gesichtszüge froren ein, als er die Waffe bewegte. Auf seiner Stirn lagen die Schweißperlen und hatten ihren Weg ebenfalls auf beide Wangen gefunden.
Er drückte die Mündung gegen die linke Brustseite. So würde es keinen Fehlschuss geben.
Noch einmal tief Luft holen. Auch wenn vor ihm ein Blutsauger lag, so fiel es dem Kommissar trotzdem nicht leicht, den Stecher durchzuziehen. Noch immer kam ihm der Fremde wie ein Mensch vor, und das wiederum ließ die entsprechenden Skrupel in ihm hochsteigen.
Da griff der Blutsauger zu.
So schnell, dass Harry nicht mehr reagieren konnte. Die Handkante verwandelte sich in einen breiten Blitz, der die Waffe traf und sie zur Seite schleuderte.
Harry fluchte. Er war nicht einmal dazu gekommen, abzudrücken.
Einen Moment später wurde ihm ein zweiter Fluch durch einen Stoß mit dem Handballen zurück in den Hals gerammt. Wuchtig hatte dieser Hieb seine Lippen getroffen.
Der Beamte konnte sich nicht mehr halten. Er fiel zurück und drehte sich dabei in einer ungewöhnlich grotesken Bewegung und auch sehr langsam, wie es ihm vorkam.
Die Pistole hatte er verloren, und an sie genau dachte der Blutsauger. Er verließ
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