0751 - Gespenster der Nacht
Schlosses führte, was Harry überhaupt nicht passte, denn er mochte die Keller einer Burg nicht. Da kam ihm sofort der Gedanke an alte Verliese, an Folterkammern und Ähnliches.
Musste er dort hinunter?
Wenn er John Sinclair oder Victor Maitland finden wollte, blieb es ihm nicht erspart. Er hätte natürlich auch in den oberen Regionen nachschauen können, doch das wollte er sich für später aufheben.
Harry hörte einfach auf seinen gesunden Menschenverstand und auch auf sein Gefühl.
Wer etwas zu verbergen hatte, der konnte sich nur in den Kellern oder Verliesen einer Burg wohl fühlen.
Die Treppe führte hinunter.
Harry traute sich noch immer nicht, die Stufen anzuleuchten. Das Risiko, entdeckt zu werden, wollte er nicht eingehen.
Dann spürte er es wie Strom durch seinen Körper rieseln, und das hatte einen Grund.
Er hatte Geräusche gehört. Nicht in seiner Nähe, sondern aus der Tiefe. Möglicherweise von dort, wo die Treppe endete.
Waren es Schritte?
Er wusste es nicht, denn die Laute waren einfach zu undeutlich.
Aber sie mussten etwas zu bedeuten haben. Harry Stahl wollte es wissen.
Dort unten, am Ende der Treppe, spielte die Musik. Stahl dachte daran, dass er der wirbelnden Masse von Fledermauskörpern entkommen war. Das hatte ihm Mut gegeben. Also machte er sich auf den Weg.
Die Furcht aber blieb bei ihm…
***
Er schlich durch den Keller, und seine Gier verstärkte sich von Sekunde zu Sekunde.
Er wollte trinken. Er wollte Blut!
Ein Opfer hatte ihm nicht gereicht. Es hatte ihn nur aufblühen lassen, aber die große Gier nach dem Lebenssaft der Menschen war damit nicht gestillt worden.
Er tastete sich an der Wand entlang. Er lauschte dem Schleifen seiner Hände. Er lauschte dem Echo seiner unregelmäßig gesetzten Tritte. Er kannte sich nicht aus. Vor seinem Hirn lag noch immer ein dunkler Vorhang. Der Vampir konnte sich nur auf seine Instinkte verlassen. Sie würden ihn zum Blut führen.
Noch irrte er durch die Gänge der Unterwelt. Er kam sich vor wie in einem Labyrinth. Manchmal glaubte er, einen Weg gefunden zu haben, dann wiederum erlebte er eine Enttäuschung und fauchte vor Wut.
Er schlich durch die dumpfe Dunkelheit. Sie griff nach ihm, sie war überall, sie beschützte ihn, und trotzdem sehnte sich der Blutsauger nach Licht. Er träumte vom Licht des bleichen Mondes, das ihn mit Kraft erfüllen würde. Es war kein Fenster zu sehen. Kein Ausblick nach draußen und zum Mondhimmel.
Und so blieb er in den Tiefen. Aber die Gier nach dem roten Saft des Lebens verstärkte sich immer mehr. Er ließ ihn beinahe durchdrehen, auch weil er wusste, dass sich das frische Blut gar nicht mehr so weit entfernt befand.
Da war etwas. Noch nicht sichtbar, noch unter dem Schatten der tiefen Dunkelheit verborgen.
Der Vampir blieb stehen. Er bewegte sein Gesicht. Er schnitt Grimassen. Dabei spannte sich die trockene Haut. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wäre zerrissen.
In seiner Brust pochte kein Herzschlag, in ihr steckte nur die reine aggressive Sucht.
So schlich er weiter. Angetrieben von diesem irrsinnigen Gefühl, endlich an das Blut der Menschen zu kommen. Der Blick seiner Augen war völlig unnatürlich und starr. Sie erinnerten an zwei kalte Seen, die tief in den Höhlen versteckt lagen.
Seine Hände kratzten über Wände, sie erreichten aber auch Holz, aus dem eine Tür gebaut worden war.
So wie jetzt…
Er blieb stehen. Seine Nase bewegte sich. Der Geruch hatte sich intensiviert. Er roch Blut, er roch Fleisch, er roch einen Menschen, der sein Opfer werden konnte.
Trennte ihn nur noch diese Tür von dem großen Ziel?
Der Wiedergänger probierte sie aus. Er fand einen Riegel, den er zur Seite stemmte. Mit einem leisen Quietschen in den Angeln öffnete sich die Tür, und er konnte über die Schwelle schreiten.
Nein, kein Mensch, auch kein Blut. Dafür aber ein sehr intensiver Geruch. Er wusste, dass er sich in der Nähe befand.
Vor ihm und dabei an der rechten Seite entdeckte er einen rötlichen Schimmer, der sich zu einem Streifen in Bodenhöhe verdichtet hatte. Da war unter einem Spalt das schwache Licht einer Kerze oder Fackel hervorgesickert.
Und dahinter…?
Sein Mund verzog sich zu einem bösen Grinsen. Dort befand sich sein Opfer. Und er hoffte, dass es wehrlos war und er seine Zähne in dessen Hals schlagen konnte…
***
Nicht mein Erwachen war furchtbar, sondern die Zeit danach. Den Druck der Schmerzen in meinem Nacken und auch im Kopf konnte ich einigermaßen
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