0751 - Gespenster der Nacht
verkraften, nicht aber die verdammte Lage, in der ich mich befand.
Sie war einfach schlimm.
Zunächst einmal stellte ich fest, dass ich mich nicht bewegen konnte, und spürte gleichzeitig den Druck in meinen Achselhöhlen und ebenfalls im Schritt.
Das durchdrang meine Benommenheit sehr gründlich und machte mich wieder wach.
Zuerst versuchte ich natürlich, Arme und Beine zu bewegen, was mir nicht gelang. Ich konnte weder das eine noch das andere anziehen, es gelang mir überhaupt nicht, sie an meinen Körper heranzubringen, und ich blieb in dieser unnatürlichen Lage.
Gestreckt und…
Zuerst wollte ich nicht daran glauben, weil es mir einfach zu absurd erschien. Dann kam ich nicht mehr davon los. Alles, was ich erlebte, stimmte.
Man hatte mich nicht nur durch den Schlag aus dem Verkehr gezogen, man hatte noch etwas anderes mit mir getan.
Ich war – gekreuzigt worden!
Irrsinn, verrückt, aber leider die brutale Wahrheit. Nur hing ich nicht an einem normalen Kreuz, sondern an einem schräg gestellten, dessen gleichlange Balken ein großes X bildeten. Man hatte die Arm-und Fußgelenke festgebunden.
Zum Glück nicht mit Draht, sondern mit Bändern. Die allerdings waren wiederum so dünn, dass sie, wenn sie sich nicht gerade um den Stoff meines Hemdes oder der Socken gedreht hatten, tief in die Haut schnitten und dort schmerzende Druckstellen hinterließen.
Aus eigener Kraft kam ich hier nicht weg.
Da ich zu den Menschen gehöre, die sich schon öfter in ausweglosen Situationen befunden haben, machte ich mich nicht verrückt, sondern drückte das Gefühl der Furcht wieder tief in mich hinein, wo es zunächst begraben wurde.
Dafür schaute ich mich um.
Dass ich überhaupt etwas sehen konnte, lag am Feuer der beiden dicken Kerzen, die vor mir standen. Im Nacken spürte ich einen kühlen Luftzug. Hinter mir an der Wand mussten sich Öffnungen – Fenster oder Schlitze – befinden, durch die die Kühle der Nacht eindringen konnte.
Also steckte ich nicht zu tief im Keller. Aber eine Folterkammer war es trotzdem, und es spielte auch keine Rolle, wo ich letztendlich mein Leben verlor.
Natürlich überschüttete ich mich selbst mit Vorwürfen. Ich hatte den Fehler gemacht und Victor Maitland einfach unterschätzt, nachdem mir klar geworden war, dass er nicht zu den Blutsaugern zählte.
Oder war dies doch der Fall, obwohl es ihm gelungen war, mein Kreuz festzuhalten?
Ich war unsicher, weil ich auch an Will Mallmann dachte, diesen Dracula II, der ebenfalls mein Kreuz hatte halten können. Möglicherweise hatte er einen Weg gefunden, diese Kraft auch auf andere Blutsauger zu übertragen, was natürlich fatal gewesen wäre, denn ihre Urgier nach Blut würden sie deswegen nicht unterdrücken.
Man hatte mich allein gelassen.
Die Flammen der Kerzen bewegten sich hin und wieder zuckend in verschiedene Richtungen, sodass sie den Raum mit einem schattenhaften Leben erfüllten. An dieses Wechselspiel aus Hell und Dunkel mussten sich meine Augen erst gewöhnen. Manchmal hatte ich den Eindruck, als wollten mich diese Schatten verschlingen, wenn sie sich lautlos auf mich zu bewegten.
Es war nicht gut für mich, nur an das Vergangene zu denken.
Wichtig waren die Gedanken nach vorn, und die drehten sich natürlich um meine Befreiung.
Wie kam ich hier weg?
Das dumpfe Drücken und Hämmern in meinem Kopf ignorierte ich, weil meine Befreiung aus dieser misslichen Lage Vorrang hatte.
Ich versuchte, meine Gelenke zu bewegen.
Mit den Armen fing ich an. Es klappte auch ein wenig, aber es hatte keinen Sinn, weil die verdammten dünnen Stricke scharf wie Sägeklingen in meine Haut schnitten. An einigen Stellen an den Armgelenken war sie schon aufgerissen, und es hatten sich kleine Blutkränze gebildet.
Die Schmerzen waren böse. Es fühlte sich an, als wollten sie mich zerschneiden und mir die Arme stückweise auseinander reißen.
Lange hielt ich das nicht mehr durch.
Mein Versuch hatte mir auch klargemacht, dass es eigentlich unmöglich war, mich aus eigener Kraft aus dieser verfluchten Lage zu befreien. Ich brauchte Hilfe.
Doch wer sollte mir helfen? Wer konnte mir helfen? Da gab es nur eine Person. Harry Stahl.
Den aber hatte ich noch nicht innerhalb der Schlossmauern gesehen. Er trieb sich draußen herum. Ich fragte mich, ob er überhaupt einen Grund finden würde, das Schloss zu betreten. Möglicherweise war er auch schon von Maitland abgefangen worden, denn eine Person wie er ließ sich so leicht nicht
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