0752 - Im Griff der Unsichtbaren
lassen.«
»Nicht so voreilig, Inspektor«, wandte Zamorra ein. »Ich bin sicher, dieser Mann hat uns einiges zu erzählen.«
Der Aborigine nickte. »Ich wurde geschickt, um dich zu informieren, Mann mit dem Silberzeichen. Einflüsse, die mir selbst ein Rätsel sind, verhinderten, dass ich bereits in Frankreich zu dir sprechen konnte.«
»Wer hat dich geschickt?«
»Shado. Er benötigt deine Hilfe, ebenso wie ich. Dabei weiß ich nicht einmal, ob du uns helfen kannst. Du bist ein Weißbursche. Aber Shado sagte, dass du zumindest ansatzweise die Wege der Traumzeit zu verstehen gelernt hast.«
»Wie ist dein Name?«
»Ich heiße Showollanguonu. Du kennst mich unter dem Namen Wolly.«
Zamorra nickte. Shado hatte diesen Namen mehrmals erwähnt. Wolly war ebenso wie Shado ein Aborigine vom Stamm der Yolngu. Sie hatten es geschafft, das Leben unter den Weißburschen mit den traditionellen Werten ihres Volkes in Einklang zu bringen. Sie arbeiteten und lebten in Sydney, aber an bestimmten Tagen zog es sie hinaus in das Outback, wo sie gemeinsam an den Corroborrees teilnahmen und auf den Pfaden der Traumzeit wandelten.
»Ich konnte nur hoffen, dass du den Weg nach Sydney findest, um uns zu helfen…«, fuhr der Aborigine fort.
Wolly hatte also bereits im Château versucht, sich Zamorra mitzuteilen, war jedoch durch irgendeine Störung der Traumzeitmagie daran gehindert worden. Das war ungewöhnlich, denn eigentlich spielte die Entfernung keine Rolle, wenn Shado einen Menschen an einen anderen Ort träumte.
»Helfen wobei?« fragte Zamorra.
»Einer der Traumzeitplätze wurde entweiht. Als wir ihn vor einigen Tagen zu einem unserer rituellen Zusammentreffen erreichten, mussten wir feststellen, dass er von Fremden betreten worden war. Shado und ich haben die anderen Männer ins Camp zurückgeschickt, dann haben wir selbst die Traumzeit aufgesucht. Doch die Dinge sind unklar geblieben. Deshalb träumte Shado mich zu dir. Du bist unsere letzte Hoffnung.«
»Wie bist du hierhergekommen?«
»Shado hat mich geführt. Er hat es nicht einmal bewusst getan; dazu ist er nicht in der Lage. Seitdem er mich zu dir nach Europa träumte, hat er mich nicht zurückgeholt. Das störende Feld auf dem Traumzeitplatz hält ihn gefangen. Mein Geist wandert, und Shados Wohnung ist einer der wenigen Orte, die ich aus eigener Kraft aufsuchen kann.«
Zamorra wusste, dass Shado die Wohnung durch die Umgestaltung in etwas Ähnliches wie einen Traumzeitplatz verwandelt hatte. Er konnte sich an diesem Ort in die Traumzeit singen und mit dem Regenbogenmann Kanaula Kontakt aufnehmen. Offenbar wusste auch Wollys Doppelkörper die besonderen Eigenschaften dieses Raumes zu nutzen.
»Wo befindet sich Shado jetzt?«
»Er ist noch dort, auf dem Traumzeitplatz. Mein echter Körper ist bei ihm. Ich habe versucht, eine Verbindung herzustellen, aber die Einflüsse stören.«
»Wer sind die Fremden, die euren Platz entweiht haben?«
»Auch das kann ich dir nicht sagen. Sie haben Blumen darauf gepflanzt, die von der Farbe des Regenbogens sind. Shado sagte, dass er diese Blumen kennen würde. Sie hätten eine Funktion, die ich nicht verstehen könne. Und dass sich ihr Wesen nicht mit der Traumzeit vertrage. Diese Blumen haben den Boden, auf dem sie stehen, vergiftet.«
Endlich wurden Zamorra einige Zusammenhänge klar. Jemand hatte im Outback neue Regenbogenblumen gepflanzt und sich als Aufzuchtort - absichtlich oder zufällig - diesen Versammlungsplatz der Yolngu ausgesucht. Dass sich deren Magie nicht mit der Traumzeit der Ab origines vertrug, war neu, aber nicht unbedingt eine überraschende Erkenntnis. War die Fehlfunktion der Blumen in Sydney bereits dadurch erklärt?
»Wirst du uns helfen, Mann mit dem Silberzeichen?«
»Ich werde es versuchen. Aber ich muss wissen, welche Auswirkungen der Zusammenprall von Traumzeit und Regenbogenmagie gehabt hat.«
»Ich kann dir wenig darüber sagen, weil ich die Magie der Blumen nicht verstehe.«
»Auch hier in Sydney wachsen solche Blumen, und sie funktionieren seit einigen Tagên nicht mehr wie gewohnt. Es hat Opfer gegeben… Verletzte…« Er verdrängte den Gedanken, dass Nicole vielleicht etwas Schlimmeres zugestoßen sein könnte. »Sag mir, wo sich der Traumzeitplatz befindet.«
»Shados Flugzeug befindet sich an einem Ort namens Malfield, sechshundert Kilometer westlich von Sydney. Von dort sind es noch einmal acht Kilometer zum Traumzeitplatz. Ich werde dir den Weg dorthin singen…«
Zamorra
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