0754 - Als Carmen sich die Köpfe holte
Saubermachen zuzuschauen, empfand ich als eine Strafe.
Wenn man auf etwas wartet, scheint der Zeiger der Uhr kaum vorzurücken. Das zweite Glas bekam ich nicht mehr leer. Etwa eine halbe Stunde vor ein Uhr zahlte ich und verließ den Pub.
Die Sonne schickte mir ihre Hitze entgegen, die mich wuchtig erwischte. In der Kneipe hatte ich nicht so geschwitzt, das aber änderte sich. Wie Bachwasser rann mir der Schweiß in Strömen über das Gesicht, und ich war froh, wenn ich schattige Stellen erreichte.
Der Hausmeister winkte mir zu, als ich zum Lift ging. Es war genau zehn Minuten vor ein Uhr. Ich fuhr hoch, schloß die Wohnungstür auf und hörte nichts.
War Mrs. Pearson schon verschwunden?
Nein, sie kam aus dem Schlafzimmer und schaute mich bitterböse an.
»Bin ich zu früh?« erkundigte ich mich. »Wenn ja, dann verschwinde ich wieder.«
»Nein, aber unter ihrem Bett hat es schrecklich ausgesehen.«
Ich staunte. »Sagen Sie nur. Was hat denn dort gelegen? Eine alte Leiche oder…«
»Hören Sie auf, Mr. Sinclair. Staub, nichts als Staub. Ich an Ihrer Stelle hätte mich geschämt.«
»Ja, vielleicht. Aber ich schlafe ja nicht unter dem Bett, müssen Sie wissen.«
»Für diese Art von Humor habe ich kein Verständnis. Sollten Sie jemals heiraten, dann werde ich es sein, die Ihrer Frau mal einige Ratschläge gibt.«
»Ich sage Ihnen früh genug Bescheid. Sind Sie denn fertig?«
»Natürlich. Ich arbeite gut und schnell.«
»Leider nicht preiswert«, stöhnte ich.
O ja, da hatte ich etwas gesagt. Ich hörte nicht hin, wie sie ihre Vorzüge anpries, sondern gab ihr das Geld, das sie scheinbar widerwillig annahm.
»War denn sonst noch etwas?«
Mrs. Pearson ließ die Scheine im Ausschnitt verschwinden und pumpte damit die rechte BH-Schale noch weiter auf. »Ja, es hat noch jemand für Sie angerufen.«
»Wer?«
»Eine Frau.«
Ich horchte auf. »Und? Hat sie nichts gesagt? Sollten Sie mir etwas bestellen?«
»Nein. Sie meinte nur, daß sie sich noch einmal melden würde. Dann intensiver. Ich weiß auch nicht, wie ich das verstehen soll, Mr. Sinclair. Ist eine seltsame Art der Unterhaltung.«
»Finde ich auch. Ich nehme an, daß sie mich besuchen will. Und wie hieß sie?«
»Ihren Namen hat sie nicht gesagt.«
»Danke.«
Mrs. Pearson schnappte ihren Koffer. Einen neuen Termin machten wir noch nicht aus, weil ich nicht wußte, wann ich in der Wohnung war. Ich versprach, sie anzurufen.
Als Mrs. Pearson verschwunden war, ließ ich mich in einen Sessel fallen. Himmel, was war diese Frau doch anstrengend. Zwei Stunden mit ihr zusammen, und ich war reif für die Klapsmühle.
Das Bier hatte mich schläfrig gemacht. Ich streckte die Beine aus und döste vor mich hin. Immer wieder dachte ich an die Anruferin. Glenda Perkins oder Jane Collins waren es bestimmt nicht gewesen. Sie hätten sich mit ihrem eigenen Namen gemeldet. Ich wurde den Eindruck nicht los, daß es Carmen Cavallo noch einmal versucht hatte.
Es waren vielleicht zwanzig Minuten vergangen, als sich das Telefon wieder meldete.
Diesmal war ich schnell. »Ja, bitte.«
Es räusperte sich jemand, dann hörte ich die Stimme des Hausmeisters. »Mr. Sinclair, ich habe hier Besuch für Sie.«
»Wer denn?«
»Eine gewisse Mrs. Cavallo!«
Ich saß starr, und atmete tief ein. Das war ein Hammer.
Die Pause dauerte dem Portier wohl zu lange. Er fragte: »Sind Sie noch dran, Mr. Sinclair?«
»Natürlich.«
»Soll ich die Lady zu Ihnen hochschicken?«
»Ich bitte darum.« Damit legte ich auf und war gespannt auf den Besuch der Spanierin. Über meine Haut rann ein Kribbeln. Ich ging noch kurz ins Bad, wusch mit kaltem Wasser durch mein Gesicht und putzte mir die Zähne. Ich empfand meine Nervosität selbst als ungewöhnlich und ahnte, daß diese Person etwas Besonderes war, zumindest konnte man sie als ungemein zielstrebig ansehen.
Diese Dame wußte genau, was sie tat. Da sie so zielstrebig vorging, glaubte ich auch nicht, daß sie mir irgendeinen Bären aufbinden wollte. Da mußte mehr dahinterstecken.
Ich wartete.
Und dann schellte es. Obwohl ich auf meine Besucherin sehr gespannt war, ließ ich mir Zeit. Ich warf aber keinen Blick durch den Spion, zog die Tür schwungvoll auf und hörte zur Begrüßung einen seltsamen Satz. »Na endlich, Mr. Sinclair.« Dann ging sie vor, und mir blieb nichts anderes übrig, als zur Seite zu treten und sie vorbeizulassen.
Ich schloß die Tür.
***
Carmen Cavallo bewegte sich in der Wohnung, als wäre sie hier
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