0754 - Als Carmen sich die Köpfe holte
Minuten Fahrtzeit hatte Carmen angesetzt. Als wir stoppten, war erst eine Viertelstunde vergangen.
Sie hatte ihren eigenen Rekord gebrochen, was sie uns auch lachend erklärte.
Wir stiegen ins Freie. Als letzte verließ Carmen Cavallo den Wagen und schnallte ihr Schwert fest.
Dann deutete sie in die Runde. »Hier ist es«, sagte sie.
Carmen wartete auf unsere Reaktion, aber die blieb zunächst einmal aus, weil wir uns umschauten, um einen ersten Gesamteindruck von der Gegend zu bekommen.
Es war sehr übersichtlich, und von der Festung konnten wir nicht viel sehen.
Die Sonne war dabei, sich zu verabschieden. Noch lauerte die Dämmerung nur, und es herrschte ein Licht, das mich sehr beeindruckte, denn die Luft war ungewöhnlich klar, beinahe scharf, so daß sich weit entfernte Felsformationen so kantig und klar abhoben, als wären sie zum Greifen nahe. Hier oben wehte ein leicht kühler Wind, der unseren verschwitzten Körpern guttat.
»Nur Reste, John, wie ich Ihnen schon sagte.« Carmen war dicht an mich herangetreten und sprach davon, daß ihre Landsleute damals mit den Ungläubigen kurzen Prozeß gemacht hatten. »Aber die Blutsauger haben sie leider vergessen.«
»Und jetzt sind sie wach.«
Sie nickte. »Warum sind sie erweckt worden? Wie hat es dieser Supervampir geschafft?«
Die Frage war gut, sie lag auf der Hand, doch leider konnten weder Suko noch ich eine Antwort geben. Dafür versuchte es Carmen selbst. »Ich habe gelesen, daß Vampire auch durch fremdes frisches Blut wieder aus ihrer Starre hervorgeholt werden können. Was sagen Sie als Experten dazu? Kann das stimmen?«
Suko nickte. »Möglich ist alles. Ich finde aber, daß dieses Problem zweitrangig ist. Wir sollten uns lieber um die Kavernen kümmern und um die Gestalten, die dort liegen.«
Carmen war einverstanden, strich aber mit einer nachdenklich wirkenden Geste über ihr Kinn. »Im Prinzip haben Sie recht. Ich überlege aber, ob ich nicht mit Ihnen gehen soll.«
»Warum?«
»Ich könnte Ihnen helfen.«
»Nein, nein, Sie haben Ihre Pflicht getan, Carmen. Warten Sie mal hier. Um Vampire zu erledigen, brauchen wir kein Schwert. Dafür haben wir andere Waffen.«
»Das weiß ich.«
Ich faßte sie in Höhe des Ellbogen an. »Kommen Sie, wir wollen wissen, wo der Eingang liegt.«
»Gut.« Die Frau war ein wenig nervös geworden. Kein Wunder, denn sie war bereit, uns in die Tiefe zu schicken, die sich auch zu einer Hölle entwickeln konnte.
Zwar trugen wir unsere Bleistiftleuchten bei uns, aber Carmen hatte für lichtstarke Taschenlampen gesorgt, die wir an unsere Gürtel festgehakt hatten.
Hier oben zwischen den alten Resten der Festung herrschte eine tiefe Stille.
Es schien so, als wollten die Mauern alle Geräusche zurückhalten, die eventuell gegen sie strömten.
Wir hörten nur die eigenen Schritte. Schlangen oder Eidechsen sahen wir nicht. Sie hatten sich verkrochen. Manchmal wuchs dürres Gestrüpp aus dem steinigen Boden. Es zeigte kaum eine grüne Farbe, selbst die Blätter sahen trostlos aus, und auf allem hatte der Staub seine Spur hinterlassen.
Der Teil eines Turms stand noch, und in seinem Schatten hielt Carmen an.
»Ist es hier?« fragte ich.
»Ja, kommen Sie mit.«
Bisher waren wir normal gegangen, jetzt aber mußten wir klettern. Wir stiegen über die Trümmer hinweg, balancierten auch auf ihren Kanten entlang und wurden von Carmen zu einer Stelle geführt, die früher einmal möglicherweise der Mittelpunkt des Turmbodens gewesen war, wenn unsere Berechnungen stimmten.
Sie deutete gegen den Boden. »Hier ist der Einstieg.«
Leider sahen wir nichts, bis eine lächelnde Carmen Cavallo einen struppigen Buschgürtel zur Seite räumte und wir eine Klappe ausmachten, die uns schwer wie Stein vorkam, aber nicht aus diesem Material bestand, sondern aus dicken Holzbohlen.
Suko entdeckte einen Ring und hob die Klappe hoch. »Ist nicht einmal schwer«, sagte er und schaute in die Tiefe. Viel konnte er nicht sehen, denn es war stockfinster.
Ich trat an ihn heran. Sofort nahm ich den widerlichen Geruch wahr, der mir aus der Tiefe entgegenströmte und meine Nase erreichte. Es war ein Gestank, der sich aus einigen Ingredienzien zusammensetzte. Aus fauligem Wasser, vermoderter Kleidung und feuchten, schimmelbedeckten Wänden und möglicherweise auch mit einem Hauch von Moder versehen. Nicht gerade eine Parfümfabrik.
»Ich will Ihnen etwas erklären«, sagte Carmen. »Sie müssen die alte Treppe hinuntersteigen und dann in
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