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0754 - Der Zeitsauger

0754 - Der Zeitsauger

Titel: 0754 - Der Zeitsauger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Constantin
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Straßenseite zu fahren.«
    Zamorra seufztè und lehnte sich zurück. »Na gut. Aber versuchen Sie, keinen Unfall zu bauen.«
    Wilde lachte über diese absurde Vorstellung, während er versehentlich in den zweiten statt in den vierten Gang wechselte.
    »Keine Sorge, mein Lieber«, rief er über das Aufheulen des Motors hinweg und schaltete hektisch. »Bei mir sind Sie so sicher wie das Baby in der Krippe!«
    Zamorra sah auf die Straße hinaus und schwieg. Er fühlte sich alles andere als sicher. Ein Gefühl der Unruhe ließ ihn nicht los.
    Ihm war klar, dass er die Gefahr, in die er sich begab, schwer einschätzen konnte. Schließlich stand er kurz vor der Konfrontation mit dem Mann, der ihn heute schon einmal fast umgebracht hätte.
    Aber da war er auch nicht auf den anderen vorbereitet gewesen. Und wenn der Fremde das vorhatte, was er vermutete, hatte Zamorra noch ein As im Ärmel. Nur, dass er sich nicht sicher war, ob es funktionierte.
    Aber was für eine Wahl habe ich?, fragte er sich.
    Je länger ich abwarte, desto größer ist die Gefahr, dass weitere Unschuldige mit hineingezogen werden. Besser, die Sache wird heute ein für alle Mal beendet.
    Denn so viel war offensichtlich: Der Mörder hatte es auf ihn abgesehen. Warum sonst hätte er ihn beobachten sollen? Und was hätten diese kryptischen Worte sonst bedeuten sollen?
    Und Sie werden mir dabei helfen, Professor!
    Ja, dachte Zamorra. Ich werde dir helfen. Oder zumindest dem Menschen, der du einmal warst.
    So oder so.
    ***
    Der Wagen hielt in einer breiten Straße. Die Chapel Road lag in einem der äußeren Bezirke Manchesters. Hier lebten Familien mit Kindern in Einfamilienhäusern, unberührt von der Hektik der Großstadt, und entsprechend leer waren die Straßen.
    Sie hielten gegenüber eines kleinen, weiß getünchten Hauses mit Vorgarten. Um das Grundstück zog sich eine Hecke, die sorgsam gepflegt war.
    »Sieht nicht gerade wie das Heim eines Killers aus«, meinte Zamorra.
    Wilde ignorierte die Skepsis und zündete sich eine Zigarette an. »Nur die eine, bevor wir losgehen.« Wieder zeigte er sein schiefes Lächeln. »Was meinen Sie, Prof? Sind Sie bereit für die Begegnung?«
    Zamorra zuckte mit den Schultern. »Im Laufe der Jahre habe ich lernen müssen, dass man auf solche Begegnungen nicht wirklich vorbereitet sein kann.«
    Sie schwiegen beide für einen Moment. Das einzige Geräusch war das Knistern der Glut, wenn Wilde an seiner Zigarette zog.
    Das ist es dann wohl, was die Leute meinen, wenn sie von der Ruhe vor dem Sturm sprechen, dachte Zamorra und wandte sich an den Privatdetektiv. »Wenn Sie etwas sehen, dass ihnen eigenartig oder unerklärlich vorkommt… Bleiben Sie ruhig!«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte Wilde.
    »Die Leiche der Frau, die die Polizei gefunden hat… wissen Sie etwas darüber?«
    »Nur das, was in den Zeitungen stand. Der Name des Opfers war Christine Worlington, eine junge Frau. Die Todesursache war noch nicht geklärt.«
    »Die Wahrheit ist, die Frau war kaum wiederzuerkennen.«
    Wilde sah Zamorra fragend an.
    »Damit meine ich nicht, dass sie verstümmelt wurde. Sie war um ein Vielfaches gealtert. Es war die Leiche einer alten Frau.«
    Zamorra betrachtete das Haus. Es sah so friedlich aus.
    Ein kleines Stück Vorstadt. Tagsüber würden hier Kinder auf der Straße spielen, Familienväter würden Sonntags den Rasen sprengen.
    Und hier würde er dem Monster entgegentreten.
    »Wir glauben«, fuhr er fort, »dass der Mörder den Opfern ihre Leben aussaugt, um sie sich selbst einzuverleiben. Er stiehlt ihnen buchstäblich ihre Lebenszeit. Und er verjüngt sich selbst damit.«
    Wilde schwieg, während er diese Information verdaute. Erneut ertönte das leise Knistern, als er einen Zug von seiner Zigarette nahm.
    »Das scheint Sie nicht sonderlich zu überraschen«, meinte Zamorra.
    »Nach dem, was ich gesehen habe, überrascht mich gar nichts mehr«, antwortete Wilde. »Vergessen Sie nicht, ich war dabei. Ich habe gesehen, wie er eine Frau getötet hat.«
    Er stiehlt ihnen ihre Lebenszeit.
    Die Lebenszeit normaler Menschen war beschränkt. Für jeden kam irgendwann der Tag, an dem es vorbei war. Einfach so. Die Sanduhr war durchgelaufen, und es gab nichts, was sie aufhalten konnte.
    Für Zamorra war es anders. Er würde immer weitermachen - ohne Verschleißerscheinungen, ohne Altern. Ein Perpetuum Mobile in Menschenform.
    Und deswegen war der Mörder hinter ihm her, das war Zamorra mittlerweile klar. Irgendwie hatte der

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