0758 - Die Katzenfrau
schräg, aber trotzdem ziemlich spitzwinklig, so daß Sir James nicht in Gefahr lief, sich den Kopf zu stoßen. Hier oben erwartete ihn ein viereckiger Flur, von dem eine Tür abging, die pechschwarz gestrichen war.
Die ihn begleitenden Katzen hatten sich vor der Tür versammelt. Sie drängten sich dort zusammen, weil sie es kaum erwarten konnten, in den dahinter liegenden Raum zu gelangen. Zwei Tiere sprangen hoch, erwischten die Türklinke, drückten sie auch nach unten, die Tür blieb trotzdem zu, weil sie verschlossen war.
Aus der Tasche ihres ungewöhnlichen Kleides holte Rena Mitchell einen Schlüssel hervor. Auf ihrem Gesicht lag ein katzenhaftes Lächeln, als sie aufschloß.
»Mein Jagdrevier, Sir James«, flüsterte sie. »Gehen Sie nur hinein und fühlen Sie sich wohl.«
Das werde ich wohl kaum, dachte er. Nur widerwillig folgte er der Aufforderung. Die Tür hatte einen Stoß bekommen. Sie schwang nur sehr langsam nach innen, so daß sich Sir James umschauen konnte, als er über die Schwelle trat.
Viel bekam er nicht zu sehen.
Er sah einen fast leeren Raum, in dem nur ein Bett stand. Durch die schrägen Fenster fiel zwar Licht, doch es reichte nicht aus, um alle Ecken des Raumes zu erhellen. Links sah er einen hohen Gegenstand, über den eine Decke gelegt worden war.
Die Katzen huschten an ihm vorbei und verteilten sich. Rena drückte ihn noch weiter vor, dann hatte auch sie das Zimmer betreten. Sie schlich an ihrem Gefangenen vorbei und stand schließlich vor ihm, wobei sie ihn mit einem katzenhaften Lächeln anschaute.
»Das ist mein Reich«, erklärte sie. »Hier fühle ich mich wohl, hier habe ich das Erlebnis.«
»Welches?«
»Das Erleben, beide Seiten genießen zu können. Einmal die Welt der Menschen, zum anderen die Welt oder das Reich der Katzen. Sie haben gefragt, wer ich bin, ob Mensch oder Katze…«
»Das habe ich.«
»Sie werden eine Antwort bekommen, Sir James. Das kann ich Ihnen versprechen. Sie werden erleben, wer die Katzenfrau tatsächlich ist.«
Sir James hatte sehr genau zugehört und auch die Veränderung ihrer Tonlage wahrgenommen. Aus ihr schwang längst keine Verbindlichkeit mehr mit, er hatte vielmehr den Eindruck, daß sie dabei war, zu einem Raubtier zu werden.
Zu einer großen Katze, und Sir James mußte daran denken, daß Tiger und Panther ebenfalls zur Gattung Katzen gehörten. Mit einer Handbewegung wies sie ihm einen neuen Platz zu. Er mußte sich auf das Bett setzen, umrahmt von den Katzen, die ihn wie stumme Wächter beobachteten.
Rena Mitchell aber baute sich vor ihm auf. Sie lächelte, ihr Gesicht zog sich dabei sehr in die Breite, und das Katzengesicht auf ihrer Brust lächelte ebenfalls.
Dann tat sie etwas, womit Sir James nie im Leben gerechnet hätte. Rena Mitchell fing damit an, sich vor ihm auszuziehen…
***
Der Taxifahrer hatte nicht gelogen. Die Netherton Street gehörte zu den Wohnstraßen, die man als ruhig bezeichnen konnte. Wenigstens gab es hier keinen Durchgangsverkehr. Wer hier herfuhr, gehörte erstens nicht zu den Ärmsten, und zweitens hatte er in dieser Straße auch seinen Wohnsitz.
Noch immer ließ sich keine Sonne blicken. Es war einer dieser dunklen, wolkenverhangenen Tage, was uns aber entgegenkam, denn die ganz große Hitze war verschwunden. In der vergangenen Nacht und auch noch in den frühen Morgenstunden hatte es geregnet. Der Boden war noch feucht, und manchmal lagen Dunstschleier in der Luft.
Wir fuhren sehr langsam. Ob wir beobachtet wurden, konnten wir nicht feststellen. Auf den schmalen Gehwegen jedenfalls zeigte sich kein Passant, uns umgab eine späte Mittagsruhe, wie sie untypisch für London war.
Der dichte Baumbewuchs sorgte nicht nur für eine verhältnismäßig gute Luft, er sorgte auch dafür, daß Stille überwog, denn der Verkehrslärm anderer Straßen erreichte diese Gegend kaum.
Die meisten Häuser sahen wir nicht, weil sie sich auf ziemlich großen Grundstücken versteckt hielten. Mauern schirmten die Bereiche ab. Oft waren sie auch durch Gitter eingefriedet, und durch deren Lücken fanden Zweige ihren Weg nach draußen.
Da ich fuhr, hatte Suko Zeit genug, die beiden Straßenseiten zu beobachten. Mehr als einmal zog er seine Augenbrauen hoch und die Stirn kraus, ihm kam diese Ruhe schon bedenklich vor, wie er mir auf entsprechende Fragen mitteilte.
Ich winkte ab. »Was willst du machen? Nicht alle Menschen leben in Hochhäusern wie wir.«
»Schon…«
»Aber?«
»Keine Ahnung, John, fahr
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