0759 - Werwolf-Wahnsinn
unbedingt. Wichtig ist einzig und allein, daß wir die Insel erreichen, ihn dort stellen und auch versuchen, unseren gemeinsamen Freund Wladimir zu finden. Alles andere können wir zunächst in den Hintergrund stellen.« Ich hatte bei dieser Antwort die Hand auf den neben mir stehenden Koffer gelegt, und mein Gegenüber hatte die Geste anders aufgefaßt als ich.
Er stand auf. »Kommen Sie mit nach oben, John. Ich werde Ihnen Ihr Zimmer zeigen.«
»Langsam, Oleg. Wohnen möchte ich hier…«
»Aber Sie werden doch einen Platz akzeptieren, wo Sie Ihren Koffer abstellen können.«
»Das ja.«
Blochin, der Hausherr, ging vor. Ich folgte ihm und war dabei sehr nachdenklich. Hier war schiefgelaufen, was nur hatte schieflaufen können. Ich kam damit nicht zurecht, und auch mein ungutes Gefühl war nicht nur geblieben, es hatte sich verstärkt.
Ich hatte Angst bekommen.
Angst um meinen Freund Wladimir Golenkow. Obwohl er eine Silberkugel-Waffe trug, war es fraglich, ob er sie auch gegen die Bestie hatte einsetzen können. Wie hatte er nur so dumm sein können, sich heimlich auf den Weg in die Höhle des Löwen zu machen. Das wollte ich nicht akzeptieren. Ihn mußte der Teufel geritten haben, er war wohl von einem Blackout befallen worden. Und genauso etwas traute ich Wladimir nicht zu. Ich kannte ihn jetzt einige Zeit und hatte ihn nie unvorsichtig oder als einen Draufgänger erlebt. Golenkow war ein Mensch, der Risiken und Gefahren genau ab-und einschätzen konnte. Warum hatte er sich derartig ungewöhnlich verhalten? Das paßte einfach nicht zu ihm.
Ich schaute auf Blochins Rücken. Auch über ihn machte ich mir meine Gedanken. Für mich war er ein Fremder. Was ihn anging, hatte ich mich schon auf Wladimirs Beschreibungen und Einschätzungen verlassen müssen. Spielte Blochin falsch?
Es war kein direktes Mißtrauen, aber dieser Gedanke war mir einfach gekommen, weil sich Golenkow so ungewöhnlich verhalten hatte. Danach konnte ich Blochin aber nicht fragen, der mich warnte, nicht zu aufrecht zu gehen, denn die Decke des Anbaus war in der ersten Etage niedriger als eine Treppe tiefer.
Mit eingezogenem Kopf ging ich einen schmalen Flur entlang. »Hier hat auch Wladimir sein Zimmer.«
»Da kann ich dann meinen Koffer abstellen.«
»Bitte, wie Sie wollen, John.« Blochin war neben der Tür stehengeblieben. Er drückte sie noch auf, um mir den Vortritt zu überlassen. »Es ist nicht gerade ein Luxuszimmer, aber man kann es aushalten.«
»Das glaube ich auch.« Mit noch immer eingezogenem Kopf trat ich über die Schwelle.
Das Zimmer war nicht groß und schlicht eingerichtet. Ein Schrank, kleine Stühle und Tisch und natürlich das Bett, das allerdings ziemlich im Schatten stand.
Deshalb sah ich die regungslose Gestalt darauf erst, als ich noch einen Schritt vorgegangen war.
Es war ein Mann.
Er lag auf dem Rücken und sah so aus, als würde er schlafen. Aber so steif lag kein Schlafender, auch ein Wladimir Golenkow nicht…
***
Eine Falle!
Nicht mehr und nicht weniger zuckte mir durch den Kopf. Eine verdammte Falle, und ausgerechnet du bist wie ein Idiot in sie hineingestolpert.
Als ich den Koffer fallen ließ, um meine rechte Hand frei zu haben, erwischte mich schon der Hieb.
Es war ein Trümmerschlag. Ich hatte das Gefühl, als wäre mir der Nacken und ein Stück des Rückens zertrümmert worden. Dabei wußte ich nicht, womit Blochin zugeschlagen hatte, mir aber war die Luft genommen worden, und ich wunderte mich selbst darüber, daß ich mich nicht auf den Beinen halten konnte und dabei sogar nach vorn auf das Fenster zutaumelte.
Es war sicherlich alles, nur kein Rettungsanker, und ich erreichte es auch nicht mehr, denn dicht davor brach ich in die Knie. Wie gelähmt blieb ich in dieser Haltung. Mein Kopf war mir nach vorn gesunken. Noch immer bekam ich keine Luft, dafür hörte ich Blochins Tritte hinter mir. Sie klangen dumpf, aber trotzdem wie durch Watte gedämpft. Auch sein leises Lachen erreichte mich.
Ich schnappte nach Luft.
Es klappte wieder besser, doch ich war noch immer so gut wie ausgeknockt. Wehren konnte ich mich nicht.
Neben mir erschien Blochins Gestalt. Er hatte sich nach vorn gebeugt. Ich sah auch seine Hände. Sie umklammerten eine Eisenstange oder einen dunklen Knüppel, so genau war dies für mich nicht zu sehen. In seinen Augen glitzerte ein seltsamer Ausdruck.
Er hob die Hände an.
Der Knüppel schwebte schräg über mir wie ein gewaltiges Schwert. Ich keuchte verbissen. Der
Weitere Kostenlose Bücher