0759 - Werwolf-Wahnsinn
Schmerz brannte in meinem Rücken. Zumindest konnte ich etwas atmen, auch wenn bei jedem Luftholen Stiche durch den Körper zuckten.
Ich formulierte ein Wort.
»Warum?«
»Es muß sein«, erwiderte Oleg Blochin und holte noch einmal aus.
Der Knüppel jagte mir entgegen.
Ich wollte den Kopf zur Seite nehmen, es war unmöglich. Etwas schrammte an der rechten Seite entlang und endete in einer Explosion, die mich in das tiefe Dunkel der Bewußtlosigkeit schickte.
Daß ich zur Seite fiel, merkte ich nicht mehr.
Oleg Blochin richtete sich auf. Er war zufrieden, was sein Lächeln auch andeutete. Seiner Ansicht nach war es leichter abgelaufen, als er es sich vorgestellt hatte.
Phase zwei des Plans war beendet.
Jetzt konnte die dritte, die alles entscheidende beginnen. Und diesmal spielte ein anderer die Hauptrolle.
Ein Werwolf!
***
Blochin hatte gute Nerven. Nachdem er auch John Sinclair entwaffnet und sich davon überzeugt hatte, daß Golenkow noch lange bewußtlos bleiben würde, legte er dem Mann aus London Fesseln an. Er hätte gern Draht genommen, den aber hatte er nicht zur Hand, also verließ er sich auf seine dünnen Stricke. Sie umschlangen schon sehr bald die Beine und auch die Handgelenke der Männer.
Das war also klar.
Tief atmete er durch und richtete sich auf. Er schaute aus dem Fenster. Die Sonne war bereits dabei, sich zu verabschieden. Der Nachmittag lief in den Abend hinein, und für ihn wurde es Zeit, noch gewisse Vorbereitungen zu treffen.
Er mußte die beiden Männer zum Seeufer hinschaffen. Dazu brauchte er einen Karren.
Der stand im Garten. Er war nicht sehr lang. Wenn er jedoch die Beine der Bewußtlosen anwinkelte, würden sie auf der Ladefläche Platz haben. Blochin holte den Karren und zog ihn bis dicht an die Hauswand, bevor er eine Plane über die Ladefläche spannte. Die Hintertür war nur eine Schrittlänge vom Wagen entfernt, günstiger hätte er nicht stehen können.
Blochin hatte nicht nur die Waffe des Geisterjägers an sich genommen, auch ein Dolch war ihm in die Hände gefallen, er freute sich auch über die Zigaretten. In aller Gemütsruhe betrat er die Küche, setzte sich so an den Tisch, daß er durch das Fenster in den Garten schauen konnte, und rauchte.
Er wartete, er hatte Zeit, denn er wußte, daß seine Stunde noch kommen würde. Sobald die Dämmerung den Kampf gegen das Licht gewonnen hatte, würde er in Aktion treten. Dann gab es nichts mehr, was seine Pläne noch hätte stören können.
Er war nicht einmal aufgeregt. Zu lange und auch zu gründlich hatte er seinen Plan durchdacht. Da konnte einfach nichts schiefgehen, wenn er nicht die Nerven verlor. Und dazu würde es nicht kommen. Aus dem Schrank holte er eine Flasche Schnaps. Diesmal war es Weinbrand aus Deutschland.
Er trank ihn ebenfalls ohne Glas und leckte sich genießerisch die Lippen, wobei er daran dachte, daß ihm das neue Leben nach der Zerschlagung des alten Systems gefiel. Wenn sein großer Plan vollendet war, konnte es ihm nur bessergehen.
Irgendwann verließ er die Küche und trat vor das Haus. Der Himmel zeigte die graue Farbe. Darin hineingemalt hatte die Sonne noch ihr letztes Rot, bevor sie endgültig verschwand.
Blochin trat die Kippe aus und ging nach oben. Was nun folgte, würde ihn Kraft und Schweiß kosten, aber es war einfach nicht anders zu machen. Er konnte die beiden Männer ja schlecht aus dem Fenster werfen. Sie sollten die Insel schon lebend erreichen.
Zuerst schaffte er Sinclair nach unten und ließ ihn innen, dicht vor der Hintertür, liegen. Einige Male mußte er tief Luft holen, denn das war schon ein Kraftakt gewesen.
Langsam ging er die Treppe hoch und kümmerte sich um seinen Landsmann. Der war schlanker und leichter als Sinclair, allerdings auch etwas größer. Er legte sich Wladimir über die Schultern. Dessen ausgestreckte Hände tickten hin und wieder gegen die Kanten der Stufen, aber sonst ging alles glatt.
Neben dem bewußtlosen Sinclair fand er seinen Platz. Blochin ruhte sich für einige Minuten aus, bis er davon überzeugt war, daß ihm die äußeren Gegebenheiten entgegenkamen.
Er zog die Hintertür auf.
Der Garten lag dort wie in ein großes, graues Tuch gehüllt. Und wie auch in den Tagen zuvor hatte sich die Luft mit einer gewissen Feuchtigkeit gefüllt. Die kühlere Luft trieb vom See her auf ihn zu, wo sich bestimmt schon erste Dunstinseln gebildet hatten.
Niemand schaute Blochin zu, als dieser die Plane vom Wagen nahm und zuerst Sinclair auf die
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