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076 - Mimikri

076 - Mimikri

Titel: 076 - Mimikri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Pukallus
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verdrießlichem Ernst. »Die Station ist stark beschädigt. Vor allem die Nahtstellen sind in erheblichem Umfang brüchig geworden. Wenn plötzlich eine Mauer birst, kann hier kein reiner Luftatmer überleben.«
    »Erst will ich sicher sein, dass die Bestie aufgegeben hat.« Aus nächster Nähe spähte Rulfan durch die rissige Wandung. »Wenn sie zurückkommt, wenn wir in der Qualle stecken, sind wir ihr hilflos ausgeliefert.«
    Das Wechselwesen war aus Quart'ols Reichweite geflohen. Gerade entfernte es sich außer Sichtweite. Der Hydrit beendete die Aktion. Durch mehrere noch transparente Teile der Wandung sah Rulfan ihn zurückkehren.
    »Wir müssen unverzüglich einen Entschluss fällen« , empfing Rulfan den hydritischen Wissenschaftler, als dieser aus der Schleusenkammer kam.
    Von dem zwanzig Sprengladungen, die er mitgenommen hatte, waren nur noch sechs übrig geblieben. »Die Station wird für Menschen zu unsicher.«
    »Das ist korrekt« , stimmte Quart'ol zu. »Es ist unvermeidbar, in ein anderes Gebäude auszuweichen. Die Gelegenheit ist günstig. Die Explosionen haben dem Wechselwesen furchtbare Wunden gerissen und es in die Flucht geschlagen. Jetzt leckt es sich gewissermaßen die Wunden, aber es ist nicht besiegt.«
    Ul'ba ergriff das Wort und klackte in der Hydritensprache erregt auf Quart'ol ein. Am Rasseln der Kiemen und am Schwellen des Rückenkamms erkannte Rulfan, dass der Torkurer innerlich aufs Heftigste erregt war.
    Quart'ol erteilte eine ruhige, aber bestimmte Antwort. Allem Anschein nach stellte sie den Torkurer nicht völlig zufrieden. Trotzdem dehnte er den Wortwechsel nicht aus.
    Mer'ol bemerkte Rulfans skeptische Miene. »Unter den Gefangenen der Bestie ist eine Hydritin, die er liebt« , erläuterte er auf Englisch. »Ul'ba quält die Furcht, es könnte irgendwann zu spät für ihre Rettung sein.«
    Bedächtig nickte Rulfan. Er hatte Verständnis für Ul'ba. Trotzdem ließ er sich nicht von romantischen Gefühlen leiten. »Es wird unter den Gefangenen kaum jemanden geben, der nur um sich selbst fürchtet« , sagte er zu Mer'ol.
    »Wir müssen unsere Prioritäten anders setzen.«
    »Genau das hat Quart'ol ihm auch entgegnet.«
    »Also zurück in die Qualle! Wir suchen uns einen anderen Stützpunkt!« , rief Quart'ol und eilte voran. Außerhalb ihres nassen Elements bewegten sich die Hydriten unbeholfener als die Menschen.
    Sie mussten sich sputen, um mit Rulfan und McKenzie Schritt zu halten.
    ***
    Suchen, suchen, suchen… Forschen, forschen, forschen… Fahnden, fahnden, fahnden…
    Durch das Zwielicht der Meerestiefen zu gleiten, bereitete den beiden
    Lesh'iye ebenso wenig Schwierigkeiten wie das Fliegen in den Lüften. Sie bewegten sich in den Fluten des Ozeans mit der gleichen, scheinbar schwerelosen Eleganz wie am Himmel über dem Land. Ihr Kapillarsystem passte sich den jeweiligen Druckverhältnissen reibungslos an. Ihre Sinne durchdrangen das dichtere Element mit der gleichen Mühelosigkeit wie die planetare Atmosphäre.
    Grundsätzlich unterschieden sich die Basaltflächen des Meeresgrunds für die
    Lesh'iye kaum von den Landmassen der Kontinente. Sie waren von den gleichen inneren Kräften wie das Festland geformt worden. Es gab Höhenrücken und Schluchten, Vulkankegel und Spalten, Geröllhalden und Gräben, Sand und Schlamm.
    Das Kontinentalschelf besaß jedoch eine außerordentlich zerfurchte Gliederung.
    Zudem hatten gewaltsame Verschiebungen den abschüssigen Meeresboden mit parallel zur Küste gekerbten Falten zerschnitten. Infolgedessen ähnelte die unterseeische Landschaft des küstennahen Flachmeers einer kreuz und quer von tiefen Rinnen zerklüfteten Felskruste.
    Dank ihrer multisensorischen Höhensicht konnten die Lesh'iye auch diese Schichten mit großer Zuverlässigkeit scannen. Granit und Basalt, Magma und Schlacken, Bimsstein und Korallenblocke verkörperten für ihre Wahrnehmungsorgane keine ernst zu nehmenden Hindernisse.
    Es hätte also unmöglich sein müssen, dass das Renegatenwesen sich dem Zugriff entzog. Dennoch war es verschwunden.
    Die einzige logische Schlussfolgerung lautete: Es perfektionierte seine Mimikri.
    Suchen, suchen, suchen…
    Wieder hatte sich die Legion der
    Lesh'iye in Patrouillenpaare aufgeteilt.
    Sie streiften durchs Meer, erkundeten es bis weit hinaus auf den Tiefseeboden.
    Für den Fall, dass der Renegat ans Land zurückkehren würde, überwachten sie den nördlichen Küstenstreifen.
    Sogar der Luftraum blieb nicht unbeobachtet: Man

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