0762 - Die Prinzessin aus der Urzeit
nahe der Tür bleiben, um die Atmosphäre auf mich einwirken zu lassen. Zudem glaubte ich nicht daran, daß sich die Psychonauten zurückgezogen hatten. Der Keller bildete für sie so etwas wie einen Stützpunkt. Weshalb hätten sie ein so gutes Versteck verlassen sollen? Daß sie entdeckt worden waren, wußten sie ja nicht.
Auf den ersten Blick wirkte alles normal. Da die Häuser mittlerweile Schatten warfen, kamen sie mir höher vor als gewöhnlich. Über der Gasse - nur als Ausschnitt zu sehen - spannte sich der Himmel, als wäre dort gestrichen worden. Keine Wolke hatte sich gebildet. Dafür waren die Sterne deutlich zu sehen.
Der Stimmenwirrwarr rauschte an mir vorbei. Er vermischte sich mit den Musikklängen. Eine Familie mit zwei Kindern schlenderte heran. Der Mann - sonnenverbrannt -- trug bunte Bermudas und flache Schuhe. Er schob einen Bauch vor sich. Sein Gesicht wirkte nicht erholt, sondern angestrengt. Von zwei verschiedenen Seiten her plapperten seine Frau und die beiden Kinder auf ihn ein, so daß er stehenblieb, die Augen entnervt verdrehte und sich über seine blanke Stirn wischte.
Es waren Deutsche. Ich wurde von der Mutter angesprochen. Sie fragte, ob wir schon geschlossen hätten.
»Ja, der Laden ist zu.«
»Schade.«
Die Kinder quengelten. Sie hätten sich gern umgeschaut und Schmuck gekauft. Sie gehörten zu den Wesen, die ihre Eltern terrorisierten, aber ich blieb hart und erklärte, daß es nichts mehr zu kaufen gab und mir das Geschäft sowieso nicht gehörte.
»Das hätten Sie ja auch gleich sagen können!« keifte die Frau. »Komm, Walter, wir gehen. Wenn die unser gutes Geld nicht haben wollen, haben sie selbst schuld. Aber Kohle aus der EG kassieren, das können sie.«
Der Mann sagte nichts. Ergeben ließ er sich weiterziehen. Ich verzog säuerlich das Gesicht. Dieser Mensch konnte mit meinem größten Mitgefühl rechnen.
Die Familie hatte mich aus meiner Beobachtungssituation herausgerissen. Ich konzentrierte mich wieder auf die Umgebung und bekam mit, daß sich etwas verändert hatte, obwohl es beim ersten Hinsehen noch immer so normal aussah.
Zwei Männer fielen mir auf. Sie lungerten an der gegenüberliegenden Hauswand herum. Einer aß dunkle Oliven aus einer Tüte. Er steckte sie in den Mund, kaute und starrte mit bewußt leerem Blick an mir vorbei. Der andere lehnte ebenfalls an der Hauswand, hatte ein Bein angewinkelt und dabei die Hände in die Hosentaschen geschoben.
Wachtposten in Kiriakis' Diensten. Es war durchaus möglich, daß sie auf den Koloß warteten, um zu sehen, welch einen Erfolg er errungen hatte. Der Knabe würde sich so schnell nicht mehr melden können, und ich fragte mich, was dann geschah.
Kamen die beiden Glotzer dann, um nachzuschauen?
Möglich war alles.
Ich zog mich wieder in den Laden zurück. Der Inhaber hockte auf einem Schemel und atmete schwer. Sein Neffe lag noch immer an derselben Stelle. Als ich die Tür wieder schloß, schaute der Mann hoch. »Wir müssen den Toten wegschaffen.«
»Ja, und den anderen auch. Ich denke, daß wir unter Beobachtung stehen. Können Sie mir helfen?«
Er fragte nicht wobei. Ich bat ihn auch, das Licht nicht einzuschalten. Im Dunkeln führten wir unsere Arbeit durch und schleiften zuerst den Bewußtlosen in einen Hinterraum. Danach folgte die Leiche. Der Inhaber weinte. Ich erfuhr wie nebenbei, daß er Brunos hieß. Den Nachnamen vergaß ich wieder.
»Es ist so schlimm, wenn der Tod einem plötzlich gegenübersteht«, flüsterte Brunos. Er schaute zu, wie ich den Bewußtlosen mit dünnen Lederstricken fesselte. »Warum hat das Schicksal gerade mich getroffen? Ich habe nichts getan?«
»Die Wege sind eben unergründlich«, erwiderte ich. Ich richtete mich auf und schaute mich um. Die kleine Lampe mit dem Segelschirm gab nicht viel Licht. Es reichte aus, um mich erkennen zu lassen, wie gut es doch wäre, wenn Brunos hier im Hinterraum zurückblieb.
»Und dann?«
»Einfach nur bleiben, Brunos. Alles andere sollten Sie mir überlassen.«
»Die Leute kommen wieder, nicht?«
»Damit müssen wir rechnen.«
Brunos war verzweifelt und rang die Hände. »Was… was wollen die den überhaupt?«
»Bestimmt nichts von Ihnen, Brunos. Sie sind Ihnen nur im Weg. Das ist alles.«
»Sie würden mich auch töten?«
Ich wollte ihm nichts vormachen. Außerdem hatte er den Überfall am eigenen Leibe erlebt. »Ja, das ist möglich. Ihr Neffe ist das beste Beispiel, Brunos.«
Er sackte zusammen und fand Platz auf einem
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