0764 - Der Wall um die Welt
Leibwache ist unterwegs! Sie durchsuchen jeden einzelnen Gang und jede Kammer. Sie dringen immer weiter nach Norden vor und nähern sich unseren Verstecken."
Die Nachricht rief einige Verwirrung hervor, denn sie brachte Tagers Plan durcheinander. Tolots erster Gedanke war, den Rückzug ins Schiff anzutreten, aber dann dachte er an den Grund seines Hierseins. Noch immer schien es ihm einfacher, Aden den Aktivator abzunehmen, als nach dem von ES versteckten zu suchen.
Aden, das war inzwischen klargeworden, besaß nicht das moralische Recht, einen Zellaktivator zu tragen. Zwar hatte Tolot nicht die Vollmacht, das zu beurteilen, aber er wußte, daß jedes Solare Gericht -wenn es noch ein solches gäbe - genauso dächte.
„Wir müssen weiter nach Norden!" riet Collanzor. „Große Teile des Walles sind noch unerforscht, selbst in diesem kurzen Abschnitt, der von uns bewohnt wird. Wir werden Verstecke finden..."
Tolot spürte unter seinen Füßen eine leichte Vibration, die allmählich stärker wurde. Sein feines Gehör, das jenem der Terraner weit überlegen war, vernahm ein fernes Grollen, das schnell wieder abnahm.
„Wartet noch", rief er den Rebellen zu. „Wir haben Zeit. Wie weit ist es von hier bis zur Oberfläche?"
„Durch den Quergang können wir sie in wenigen Minuten erreichen", erwiderte Tager. „Warum?"
„Nur für den Notfall, Tager. Ich habe noch eine Frage: Habt ihr euch niemals um die Unbekannten gekümmert, deren Erbe ihr hier angetreten habt? Ich meine, habt ihr etwas über das Volk herausgefunden, das einst auf diesem Planeten lebte?
Die Maschinen und Anlagen, überhaupt der ganze Wall - das alles muß euch doch Rätsel aufgegeben haben. Habt ihr nie versucht, sie zu lösen?" Tager ließ sich ablenken.
„Doch, wir haben uns viele Fragen gestellt, aber keine Antwort erhalten. Vor etwa siebzig Jahren - Collanzor wird sich erinnern - organisierte unsere Gruppe eine Totalerforschung des Walles.
Die Erlebnisse der Expedition wurden gespeichert. Sie war drei Jahre unterwegs, stieß nach Norden vor - und kam von Süden her zurück. Sie hatte diese ganze Welt einmal umrundet."
Das interessierte Tolot im Augenblick fast noch mehr als die vordringenden Männer Adens.
„Gespeichert? Habt ihr entsprechende Geräte?"
„Aus der DREADFUL, natürlich. Die Überlebenden der Expedition berichteten, was sie gesehen und gefunden hatten. Viel war es ja nicht, aber die Explorerflotte würde es sicher interessieren."
„Ich möchte es mir anhören, sobald Zeit dazu ist", meinte Tolot, und sah gleichzeitig ein, daß er die Geduld der Rebellen nicht länger strapazieren durfte. Außerdem war das unterirdische Grollen inzwischen wieder stärker geworden. Selbst die Terraner spürten es nun. „Habt ihr noch Leute südlich von hier?"
Die Antwort auf diese Frage erfolgte in Form von drei Männern, die in den Raum kamen und so wirkten, als wären sie mindestens eine halbe Stunde lang pausenlos gelaufen. Tager rief ihnen zu: „Was ist los? Habt ihr Adens Leute gesehen?"
„Sie ziehen sich zurück", keuchte einer der Männer und setzte sich auf den Boden, da kein Platz mehr war. „Es gibt ein Erdbeben!"
„Es gibt oft Erdbeben", sagte Tager unwillig. „Bis heute hat sich niemand darum gekümmert. Was also ist los?"
Der Posten, wahrscheinlich der Anführer der drei, stand mühsam wieder auf, damit man ihn sehen und besser verstehen konnte.
„Adens Dummköpfe haben mehr Angst als sonst etwas.
Wir haben sie bei ihrem Vormarsch beobachtet. Wahrscheinlich erhielten sie den Befehl uns aufzuspüren und zu vernichten.
Jedenfalls haben sie auf alles geschossen, was sie nicht kannten und was sich bewegte. Und so müssen sie auch einen der Grollschlünde oder Trichter getroffen haben. Wir konnten beobachten, was geschah, bevor wir uns in Sicherheit brachten."
„Was geschah denn?" Tager wurde ungeduldig. „Na los, rede endlich!"
„Es ist schwer zu erklären, Tager. Du mußt das verstehen.
Wir wußten nicht, ob wir fliehen oder warten sollten. Vor den Leuten Adens fürchteten wir uns nicht, aber wir wollten euch auch warnen. Gleichzeitig aber brachen die Gravitationstrichter zusammen. Aus dem Grollschlund kam flüssige Lava. Es gab ein Erdbeben, das allerdings nur sehr schwach war."
„Und das ist alles?"
„Genügt das nicht? Sie haben das Gleichgewicht der vorhandenen Gegebenheiten gestört. Die Folgen werden schrecklich sein. Wir müssen den Wall verlassen, oder wir sind unseres Lebens nicht mehr
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