0765 - Todesangst und Leichenmoder
wieder ein, und sie sah die Schrift sehr deutlich vor sich.
Verstellt.
Aber dennoch zu erkennen. Irgendwo hatte sie eine ähnliche Schrift schon mal gesehen, und das hatte keine privaten Gründe gehabt, sondern berufliche.
In der Agentur? Auf einer der zahlreichen Feten, die sie besuchen mußte?
Ja, nur dort konnte sie die Schrift gesehen haben, die Ähnlichkeit mit der eines Rechtshänder hatte, der versuchte, mit der linken Hand zu schreiben.
Himmel, das war es!
Ja, so muß es gewesen sein. Da hatte sich ein Rechtshänder bei einem Spiel…
Evelyn dachte nicht mehr weiter und strich über ihr kurzes Haar. Einige Male mußte sie schlucken.
Hinter ihrer Stirn stieg es heiß hoch. Ihr Herzschlag war viel deutlicher zu hören als sonst. Es gab keinen Zweifel, sie war dem Mörder bereits gedanklich auf die Spur gekommen. Und es mußte eine Person aus ihrem persönlichen Bekanntenkreis gewesen sein. Etwas anderes kam für sie nicht in Frage.
Wann war sie zuletzt auf einer Party gewesen?
Himmel, das wußte sie nicht auf Anhieb. In jeder Woche war irgendwo etwas los. Aus beruflichen Gründen mußte sie immer daran teilnehmen, und jeder Gastgeber versuchte stets, sich etwas Besonderes einfallen zu lassen.
Dabei war auch das Zeichnen der Rechtshänder mit ihren linken Händen gewesen.
Soweit war sie schon. Jetzt mußte sie sich nur noch daran erinnern, wer alles auf dieser Party gewesen war. Natürlich nur die Leute, die sie kannte. Keine aus fremden Ställen, die Clique gehörte immer zusammen, man traf sich, man sprach miteinander, man schloß Geschäfte ab und gab sich locker.
Das Malen hatte ihr damals großes Vergnügen bereitet. Es war ein toller Gag gewesen.
Evelyn Ascot dachte darüber nach, von wem die Initiative ausgegangen war. Sie zündete sich wieder einen Glimmstengel an, aber der Funke wollte einfach nicht überspringen. Er verlosch irgendwo auf halbem Wege.
Sie holte sich zahlreiche Parties in Erinnerung. Wo war das denn genau gewesen? Wer hatte den Vorschlag gemacht?
Nebel wallte vor ihren Augen. Aber aus diesen Tiefen stieg ein Bild hervor. Ja, es klappte.
Sie sah Gesichter, dann ein bestimmtes. Das Gesicht eines Mannes, den sie gut kannte.
Dino Kellerman!
»Das ist es!« flüsterte sich die Ascot selbst zu. Das genau ist die Lösung. Kellerman kam mit diesem Vorschlag, und alle Gäste hatten begeistert zugestimmt.
Sollte etwa Dino Kellerman…?
Sie schluckte den Rest herunter, weil sie daran lieber nicht denken wollte, aber sie schaffte es nicht, seinen Namen aus ihrem Gedächtnis zu verbannen und ihn immer wieder mit dem Mord in Zusammenhang zu bringen.
Und Kellerman hatte auch das Folterinstrument gehört, in dem der tote Winston Todd gefunden war.
Es paßte zusammen…
Evelyn Ascot überfiel es wie ein Fieberanfall, und sie war nahe daran, ihre Gelassenheit zu verlieren. So aufgeregt wie heute war sie selten gewesen. Die Stuhlfläche schien zu brennen. Sie schluckte, griff mit zitternden Fingern nach dem in der Nähe stehenden Glas und leerte es.
Das war die Lösung! Da konnten hundert und mehr Bullen sich drehen und wenden, sie hatte es geschafft, und sie würde es den Bullen auch sagen. Wenn die Kellerman in die Mangel nahmen, mußte er einfach gestehen.
Plötzlich lächelte sie. Daß Kellerman der Mörder war, kam ihren eigenen Plänen sehr entgegen. Da brauchte sie ihn nicht erst mit einem fingierten Auftrag ins Ausland zu schicken, die Polizei würde ihn festnageln und wenn ihm dann der Prozeß gemacht würde, konnte sie sich um Allie kümmern und sie trösten.
Auf diesen Trost freute sich die Frau. Sie würde sich etwas ganz besonderes für die Kleine einfallen lassen. Schon jetzt dachte sie an deren Haut, die so herrlich hell war. Überhaupt wirkte Allie im Gegensatz zu manch anderen Mädchen aus der Branche ziemlich unverdorben.
Gerade diese Girls bereiteten ihr immer den allerhöchsten Genuß. Evelyn schluckte und räusperte sich. Sie rieb ihre Hände gegeneinander und dachte an den ersten Teil ihres Plans. Es war ihr nicht möglich, zu Kellerman zu fahren und ihn des Mordes zu überführen. Das mußten andere übernehmen. Sie würde diesen Sinclair anrufen und ihm von ihrem Verdacht erzählen.
Dann konnte er nicht anders handeln, als diesen Fotografen zu verhaften.
Sie wollte aufstehen, doch das ließ sie bleiben. Etwas hatte sie gestört. Sie wußte nicht genau, was es war, aber ihr Instinkt hatte ihr eine sehr konkrete Warnung zukommen lassen.
Evelyn Ascot war
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