0768 - Lady Bluthaar
so recht daran, das Tom Ward noch lebte. Wen das Meer verschluckt hatte, den gab es nicht mehr frei.
»Dabei war es unser erster Urlaub, auf den wir uns beide so gefreut haben«, flüsterte Marion mit erstickt klingender Stimme. »Es ist einfach nicht zu fassen und…«
Suko legte seine Hand auf die ihre. »Keine Sorge, ich werde alles tun, um den Fall aufzuklären.« Er wußte selbst, wie banal die Worte klangen, doch er konnte einfach nichts anderes über die Lippen bringen. Wenn er jetzt eingriff, war es ihm nur möglich, Schadensbegrenzung zu betreiben, mehr nicht.
»Darf ich Sie etwas fragen, Inspektor?«
»Immer.«
Sie holte tief Luft. »Was geschieht, wenn Sie selbst dabei verunglücken und nicht wieder zurückkehren?«
Suko schwieg.
»Jetzt sind Sie sprachlos, wie?«
»Nein, das nicht, aber daran denke ich nicht. Bei meiner Arbeit sollte man an so etwas auch nicht immer erinnert werden. Ich darf es mir einfach nicht leisten.«
»Wie Sie meinen. Haben Sie denn Angst?«
»Jeder Mensch hat Angst, Marion. Da mache auch ich keine Ausnahme. Nur versuche ich, dieses Gefühl so weit wie möglich zu unterdrücken. Man kann aber auch sagen, daß die Angst einen Menschen erfinderisch macht. Ich hoffe, daß es bei mir der Fall sein wird.«
»Gegen wen denn?«
»Es gibt Feinde.«
»Die Frau!«
»Ja.«
»Glauben Sie denn, daß sie existiert?«
Suko hob die Schultern. »Ich wäre zumindest überrascht, wenn das nicht der Fall wäre. Dann müßten wir von vorn anfangen. Aus Erfahrung weiß ich allerdings, daß Legenden oftmals wahr werden. Hier wird es sich kaum anders verhalten.«
»Ja, das kann sein, das ist gut möglich.« Sie schluckte. »Ich möchte, da bin ich ehrlich, nicht in Ihrer Haut stecken.« Sie schüttelte sich. »Nein, das auf keinen Fall. Sie fahren allein über das Meer auf die Inseln zu. Was tun sie, wenn diese Hexe mit den Bluthaaren plötzlich vor Ihnen aus dem Wasser steigt?«
Suko lächelte. »Was ich dann tun werde, weiß ich noch nicht. Das wird die Situation ergeben.«
Marion hob die Schultern. »Fast hätte ich gefragt, ob Sie mich mit auf die Fahrt nehmen.«
»Ich hätte abgelehnt.«
»Das wußte ich. Deshalb habe ich auch nicht gefragt. Ich wäre ein zu großes Hemmnis für Sie.«
»Hinzu kommt noch etwas, Marion.« Suko wollte ihr Mut geben und auch eine gewichtige Position zuordnen. »Jemand muß hier im Ort bleiben und die Stellung halten.«
»Was kann ich schon tun?«
»Sehr viel. Ich habe Sie bei meinen Plänen nicht außen vorgelassen. Wenn ich zu einer bestimmten Zeit nicht zurück bin, dann müssen Sie sich mit London in Verbindung setzen.« Aus seiner Hosentasche holte Suko einen Zettel, legte ihn auf den Tisch und faltete ihn auseinander. »Hier, lesen Sie.«
»Das ist nur eine Telefonnummer und der Name John Sinclair.«
»Ja. Er hat im Moment in Germany zu tun. Es kann sein, daß er schon zurück ist. Ich weiß es nicht. Folgendes: Sollte ich nicht zurückkehren, dann…«
»Bis wann nicht?«
»Sagen wir«, Suko überlegte, »bis morgen früh.«
Sie nickte. »Gut. Ich nehme neun Uhr als den Fixpunkt.«
»Damit bin ich einverstanden.«
»Was soll ich John Sinclair sagen?«
»Alles.«
Marion überlegte. »Was wird er tun?«
»So wie ich ihn kenne, wird er sich in das nächste Flugzeug setzen und herdüsen. Aber das ist Theorie. Ich denke nicht, daß daraus Praxis wird.«
Das Mädchen schaute ihn so direkt und auch skeptisch dabei an, daß Suko mißtrauisch wurde. »Was haben Sie denn?«
»Angst.«
»Das brauchen Sie nicht.«
»Nicht um mich, sondern um Sie. Trotz unseres Gesprächs habe ich noch immer das Gefühl, daß Sie die Dinge unterschätzen. Sich allein aufs Meer zu wagen, ist in diesem Fall Selbstmord. Vielleicht wartet Isabella nur darauf.«
»Das wäre gut.«
»Verstehe ich nicht.«
Suko stand auf und schob seinen Stuhl zurück. »Ich warte nämlich auch auf sie. Ein Treffen mit Lady Bluthaar käme mir demnach sehr gelegen.«
Marion Hayle schüttelte den Kopf. Sie verstand die Welt nicht mehr…
***
Der Verleiher hatte Suko ein Boot versprochen, das völlig in Ordnung war, hatte auch die entsprechende Summe kassiert, und der Inspektor konnte sich schon sehr bald davon überzeugen, daß der Verleiher sein Versprechen gehalten hatte.
Es gab nichts daran auszusetzen. Der sehr starke Motor schob es sehr schnell über die Wellen, und Suko, dem die Gischt um die Ohren flog, hatte das Gefühl, auf den sich auf der Wasserfläche
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