0768 - Lady Bluthaar
nicht mehr an seinem Platz bleiben und woanders hingehen.
Ich sah wieder einen Hoffnungsschimmer und sprach ihn leise an, erschrecken wollte ich ihn nicht.
Er reagierte nicht. Wie ferngesteuert bewegte er sich auf die gegenüberliegende Seite der Mulde.
Er ging wie eine Marionette, und wir reagierten kaum anders, als wir uns an seine Fersen hefteten.
Wir blieben in seiner Nähe, denn weitere Überraschungen wollten wir nicht erleben. Er mußte einfach seinen Weg gehen, und wir wollten ihn dann unterstützen, falls er in Schwierigkeiten geriet.
So schlecht sah die Lage auch nicht aus, wenn ich davon ausging, daß wir ihn auch als Leiche hätten finden können. Aber war das ein Leben, das er jetzt führte?
Suko gehorchte einer anderen Kraft. Er war nicht mehr er selbst. Die fremde Kraft führte ihn, und am Ziel würden wir ebenfalls dabeisein. Ich hielt mich etwas zurück, und so konnte sich sein Vorsprung leicht vergrößern.
Wir schauten auf seinen Rücken, und die neben mir gehende Marion Hayle atmete heftig, als hätte sie unter starken Krämpfen zu leiden. Sie begriff nichts, sie war völlig von der Rolle, aber sie schaute sich immer wieder hastig um, als würden jeden Augenblick schreckliche Gestalten am Rand der Mulde erscheinen.
Suko hatte noch immer kein Wort gesprochen, und auch jetzt setzte er seinen Weg schweigend fort.
Er wollte auf keinen Fall gestört werden, genoß es, in seinem eigenen Käfig gefangen zu sein, den eine andere Kraft um ihn herum aufgebaut hatte.
Wir befanden uns noch in der Mitte der flachen Schüssel, als Suko seine Schritte unterbrach, sich umdrehte und uns anschaute.
Die Sonne schien gegen sein Gesicht, sie mußte ihn blenden, doch er schaute so klar und kalt, daß Marion den Kopf schüttelte und flüsterte: »Das ist ja ein anderer geworden, John. Der kommt mir vor wie ein lebender Toter.«
»Noch ist es nicht soweit.«
»Wie wollen Sie denn Unheil verhindern?«
Ich gab ihr keine Antwort, denn Suko hatte sich wieder in Bewegung gesetzt, was wir ebenfalls taten. Mindestens zehn Yards blieben wir hinter ihm.
Wir verließen die steinige Mulde. Suko ging auch weiterhin wie ein Automat. Er stieg den anderen Rand hoch, und es war klar, daß er zum Ufer wollte.
Da gab es dann zwei Möglichkeiten: Entweder ging er ins Wasser, um seine ›geliebte‹ Isabella zu erreichen, oder sie kam selbst, um ihn zu locken, denn das hatte ja Marion erlebt. Sie sprach mich auch darauf an.
»John, es ist wie bei meinem Freund Tom gewesen. Auch er hat so reagiert. Ich kenne den Blick in Sukos Augen. Tom hat mich ebenfalls so angeschaut. Er hat mich überhaupt nicht gesehen, verstehen Sie? Er folgte den anderen Verlockungen.«
»Isabella?«
»Natürlich, wer sonst? Sie war es doch, die aus dem Wasser gestiegen ist und ihn zu sich heranholte.« Marion schüttelte sich. »Was ich durchgemacht habe, war schlimm. Ich… ich kann es noch immer nicht begreifen, aber es stimmt leider.«
Suko war inzwischen weitergegangen. Der Weg führte jetzt leicht abwärts, ohne daß wir ihn als einen Hang hätten bezeichnen können. Er war nur bequemer zu laufen.
Wir sahen bereits den hellen Strandstreifen und auch das Meer, das seine letzten Wellen schaumbekränzt dagegenwarf und den feinen Sand immer wieder anfeuchtete. Auch unsere Spuren waren noch zu erkennen, das Boot ebenfalls. Suko interessierte sich für beides nicht. Es war einzig und allein darauf fixiert, an das Wasser zu gelangen.
Ich würde dafür sorgen, daß er nicht hineinging. Zur Not mußte ich ihn niederschlagen. Ich wandte mich an Marion, denn sie sollte mich auf keinen Fall behindern. »Bitte, tun Sie mir einen Gefallen!« sprach ich das Mädchen an. »Bleiben Sie zurück.« Ich zeigte zu Boden. »Am besten hier. Um die anderen Dinge kümmere ich mich.«
Sie nickte.
Bisher hatte sie sich gut gehalten, und ich hoffte, daß es so bleiben würde.
Dann lief ich hinter Suko her. Es wurde auch Zeit, daß ich die Distanz verkürzte, denn mein Freund hatte bereits den Sandstreifen erreicht und blieb genau dort stehen, wo die auslaufenden Wellen die letzte Feuchtigkeit hinterließen.
Er starrte auf das Wasser.
Ich schlich näher, wollte ihn nicht stören und stoppte etwa zwei Yards hinter ihm, den Blick schräg auf seinen Rücken gerichtet.
Ich wartete.
Auch Suko wartete und schaute auf das Wasser, als gäbe es dort etwas Besonderes zu sehen. Für ihn vielleicht, für mich nicht, denn ich sah nur die im Sonnenlicht glitzernden
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