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077 - Das Kollektiv

077 - Das Kollektiv

Titel: 077 - Das Kollektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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Das schwelende Moos im Steinkreis der Feuerstelle hatte sich endlich entzündet und eine Stichflamme hochgejagt. Knisternd brannte es ab. Noch ehe der aromatische Qualm verwehte, hatte Aiko bereits nachgelegt und fütterte das Feuer mit immer größeren und stärkeren Zweigen.
    Kleine Schmatzgeräusche ertönten; der Cyborg sah flüchtig auf und grinste: Honeybutt hatte ihre pochende Fingerspitze in den Mund gesteckt und lutschte daran herum.
    »Ich hab mich verbrannt! Das ist nicht komisch!«, maulte sie vorwurfsvoll, während vom Feld her helles, schrilles Quieken ertönte. Kurz darauf kam Mr. Black herangestapft, maß das Lagerfeuer mit prüfendem Blick und hielt Aiko wortlos einen Speer hin. An dessen Ende hing ein wohlgenährtes, einem Gerul ähnelndes Tier.
    Anerkennend pfiff der Cyborg durch die Zähne, während er das unerwartete Abendessen entgegennahm und nach dem Messer tastete, um es zu häuten.
    Miss Hardy vergaß die Brandblase an ihrem Finger und machte sich über ein Häufchen gesammelter Beeren her, das nunmehr zur Beilage mutiert war.
    Sorgfältig teilte sie es in Portionen auf, bemüht, die unappetitlichen Reißgeräusche zu ignorieren, die mit dem Häuten einher gingen. Matt trat hinzu, drei schlaff herunterhängende Zweige des Fingerstrauchs über einem Stockende balancierend, und stutzte, als er den Hasen sah.
    »Meine Güte, ist das ein Brocken!«, sagte er, während er die Zweige auf den Boden gleiten ließ und neben ihnen vor der Feuerstelle in die Hocke ging.
    »Da reicht sogar noch für ein Frühstück. Gute Arbeit, Mr. Black!«
    Es war ein aufrichtiges Lob gewesen, doch der Running Man nickte nur stumm, ohne eine Miene zu verziehen.
    Der Rebellenchef hatte noch immer Schwierigkeiten damit, Commander Matthew Drax als Anführer zu akzeptieren.
    Er rammte seinen Speer in den Boden und setzte sich nicht weit von Aiko entfernt ans Feuer, der mit einer Mischung aus Belustigung und Stirnrunzeln zusah, wie Matt die schlaffen Zweige des Fingerstrauchs mit dem Messer bearbeitete.
    »Was soll das werden - eine späte Rache für Honeybutt?«, fragte der Cyborg trocken.
    »Nein, ich foltere Zweige nur so zum Spaß«, gab Matt zurück und grinste.
    Die Aussicht auf ein gutes Abendessen hob seine Stimmung; er summte sogar ein paar Takte vor sich hin, während er das abgesäbelte Zweigende auf sein Messer spießte und über die Flammen hielt.
    Blaue Fäden züngelten an der Klinge entlang, schlangen sich wie Geisterfinger um den Zweig und hinterließen kleine Glühpunkte zwischen den dunklen, abgespreizten Schuppen. Es knisterte und zischte, als der Brand sich durch die faserige Holzhaut fraß und das gallertartige Innere des Zweiges mehr und mehr erhitzte. Tropfen quollen unter den Schuppen hervor; sie fielen jedoch nicht, sondern köchelten weiter am Zweig vor sich hin.
    Aiko machte ein bedenkliches Gesicht.
    »Könnte sein, dass hier gleich was explodiert!«, warnte er und hatte den Satz noch nicht beendet, als mit vernehmlichem »Puff« das Zweigende in Flammen aufging. Matt nahm es aus dem Feuer und führte es am ausgestreckten Arm in die Dunkelheit. Eine Funkenspur ähnlich der von Wunderkerzen folgte seiner Bewegung; die Spitze der Messerklinge färbte sich rot.
    Das Holz aber, immer wieder neu getränkt von der halb flüssigen Substanz im Inneren, loderte unentwegt weiter.
    »Brennt wie der Teufel.« Matt nickte zufrieden, streifte den Zweig über einem Stein der Feuerstelle ab und stand auf.
    »Woher hast du das gewusst?«, fragte Honeybutt erstaunt, während Matt das abgezogene Hasenfell zu Hilfe nahm und mit geschützter Hand begann, jeden der drei schlaffen Zweige um das Ende eines kräftigen Stockes zu wickeln.
    »Ich wusste es nicht«, gab er zu. »Es war nur eine Ahnung - oder vielmehr eine Hoffnung. Da drüben am Feldrand steht ein Findling, ziemlich exponiert und voller Spalten, in denen Fackeln Halt finden.« Mehr sagte er nicht. Es bedurfte auch keiner weiteren Worte.
    Als das erste der drei Lichter über dem Feld der Steine zu brennen begann, um Aruula den Weg zu weisen, wurde die Dämmerung zur Dunkelheit.
    Wind kam auf, lau und sanft, wehte durchs Lagerfeuer und trug den Duft von Tannenholz und Gebratenem hinaus in die Nacht. Stille senkte sich über das Ufer des Kratersees, das Vogelkonzert in den Wäldern verstummte und die Jäger des Tages suchten ihre Höhlen und Nester auf.
    Doch es war eine trügerische Stille - ein Atemholen der Natur, das keinen Frieden brachte. Matt nickte

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