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077 - Das Kollektiv

077 - Das Kollektiv

Titel: 077 - Das Kollektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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Nachbarn zu rammen - einen ohnehin schon beschädigten Kahn, den die Fischer gerade näher an den Strand zu holen versuchten.
    Einige befanden sich an Bord, die anderen hatten das Seil über ihre Schultern gelegt und stemmten sich mit dem Rücken zum Meer in die Dünung.
    Keine Frage - wenn das Boot den Kahn am Bug erwischte und daran vorbei schrammte, würde es die Fischer überlaufen!
    Aruula spurtete los; mit wehenden Haaren und ungläubigem Blick an Frauen vorbei, die deutlich besorgt, aber untätig vor den Hütten standen.
    Warum halfen sie ihren Männern nicht? Geringschätzig verzog die Barbarin den Mund; nur um im nächsten Moment über einen zottigen Köter zu stolpern. Die Frauen zeigten mit den Fingern auf sie und lachten. Wütend lief Aruula weiter.
    Der Wind wurde heftiger, als sie den Strand erreichte. Auch der Regen schien sich zu verstärken, und von fern - weit draußen auf dem Meer - war Donnergrollen zu hören. Ein paar magere Jungen waren ihr vorausgeeilt, hatten das Ankerseil aus den Wellen gefischt und versuchten mit vereinten Kräften, das treibende Boot zur Seite zu ziehen. Einer von ihnen war Wiko'o.
    Aruula erkannte ihn sofort, obwohl er wie alle anderen aussah - niemand sonst starrte so intensiv auf ihre Brüste!
    »Macht Platz!«, befahl sie energisch, schlang den Arm um das nasse Seil und stemmte sich mit aller Macht gegen den Zug des Bootes. Wieder und wieder, bis der schräg stehende Bug allmählich herum kam und in die Wellenbewegung glitt, die das Boot fast von allein ans Ufer brachte.
    »Bemerkenswert, findest du nicht?«, fragte einer der Männer und lächelte der Fremden zu.
    Pa'arov, ein älterer Fischer, runzelte die Stirn. »Ich sehe nichts Bemerkenswertes, Dushkiin«, antwortete er. »Nur dass eine Frau Männerarbeit erledigt. Im Hinterland soll es primitive Stämme geben, bei denen das noch üblich ist. Wahrscheinlich gehört sie zu einem von denen!«
    Dushkiin, der Sohn der Heilerin, schwieg. Es hatte keinen Zweck, mit Pa'arov zu diskutieren. Seit seine Frau dieses Kind geboren hatte, dessen Schuppenstreifen exakt mit denen des nun verstorbenen Yu'uri überein stimmten, hatte der Fischer ein gespaltenes Verhältnis zur Damenwelt. Dushkiin hingegen konnte sich nicht sattsehen an der ungewöhnlichen Fremden.
    Auch die Jungen waren fasziniert und sichtlich stolz darauf, dass diese schöne Frau ihnen zu Hilfe kam - ihnen, und nicht den Männern, die mit einer Mischung aus Erstaunen und Stirnrunzeln herüber schauten.
    Aruula spürte, dass die allgemeine Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war, schloss die Augen und streckte behutsam ihre telepathischen Fühler aus, um zu lauschen .
    Und diesmal erreichte sie etwas! Allerdings keine Worte - nur das Echo eines heftigen Gefühls, und es hatte weniger mit Verständigung zu tun als mit…
    »Fegaashaa«, flüsterte Aruula verdutzt und öffnete die Augen: Wiko'os Hand lag auf ihrer Brust! Sein Gesicht war zur Grimasse verzerrt, und .er knautschte so gierig an ihrem Busen herum, als hielte er einen Schwamm in den Fingern.
    Die Barbarin holte aus.
    Rumms! Der Schlag landete punktgenau an Wiko'os Wange und hob den Jungen von den Füßen. Klatschend fiel er ins Wasser und strampelte mit allem, was sich bewegen ließ, um nicht unterzugehen.
    Aufgebracht stemmte Aruula ihre Fäuste in die Seiten, sah sich um und wartete auf eine Reaktion.
    Die kam auch - aber anders, als sie erwartet hatte.
    Stille senkte sich über den Strand; tiefes, bestürztes Schweigen. Die Gesichter der Männer waren voller Mitgefühl, doch es galt nicht ihr, sondern Wiko'o, der mühsam aufstand und seine schmerzende Wange rieb.
    Ein älterer Fischer löste sich aus der Gruppe und watete durchs seichte Wasser heran. Trotzig reckte Aruula den Kopf. Vielleicht war es hier nicht üblich, ungezogene Jungen zu strafen - im Hinterland gab es gewiss noch primitive Stämme, die ihre Nachzucht wild aufwachsen ließen -, nur durften sie sich nicht mit einer Kriegerin vom Volk der Dreizehn Inseln anlegen!
    Aruula verschränkte demonstrativ die Arme, als der Fischer vor ihr stehen blieb. Er sagte etwas, das sie nicht verstand - aber seine Finger zeigten landeinwärts, und die Geste war eindeutig: Aruula sollte sich entfernen. Wortlos machte die Barbarin kehrt.
    So kann das nicht weitergehen !
    dachte sie wütend. Es muss mir gelingen, eine Verständigung herzustellen!
    Suchend schaute sie sich um. Nicht weit vom Ankerplatz der Boote entfernt gab es eine windgeschützte Ecke:

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