Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
077 - Das Kollektiv

077 - Das Kollektiv

Titel: 077 - Das Kollektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
Vom Netzwerk:
betroffen und beschämt - es würde am besten sein, ihn eine Weile in Ruhe zu lassen.
    Wie Le'ev dachten viele der Männer - und so kam es, dass niemand den Fischer*
    daran hinderte, ein Beiboot klar zu machen, Ruder einzulegen und in die Bucht hinauszufahren.
    Tief unter den Wellen - aus der wolkenverhangenen Weite des Kratersees, wo der Sturmwind hauste und sich eine infernalische Wetterfront bereit machte, die Küste heimzusuchen - näherten sich zwei Schatten dem einsamen Boot…
    ***
    Keine halbe Stunde später hatte sich der Himmel zugezogen. Seltsam helle Dunkelheit lag über der Bucht. Der Regen hatte nachgelassen, und die Stille ringsum war so unwirklich wie das Licht.
    Ruhe vor dem Sturm.
    Die Tiere am Kratersee wussten das Zeichen zu deuten: Shiimshuk, Streuner - selbst die Strandkrabben hatten längst einen sicheren Platz aufgesucht und waren nicht mehr zu sehen. Wellen kamen eilig an den Strand gerauscht und leckten über die Flanken der Boote, als wollten sie sie den haltenden Tauen entreißen, und die letzten noch nicht geborgenen Netze an den Holzgestellen flatterten im Wind.
    Draußen aber, jenseits der Inseldämme, tobte bereits das Unwetter. Gewaltige Brecher krachten gegen die Felsen, meterhohe Gischt brach über dem Baumbewuchs zusammen, und der heulende Sturm wirbelte abgerissene Blätter und Zweige bis auf das Festland.
    Es waren nur noch wenige Männer am Strand; die Rriba'low mussten sich beeilen, ihre lebenswichtigen Gerätschaften zu verstauen und achteten - obwohl durchaus der eine oder andere suchende Blick übers Meer glitt - weder auf den verschwundenen Pa'arov noch auf Aruula.
    Die Barbarin war verzweifelt. Wieder hatte sie keinen Kontakt zu den Fischfängern aufnehmen können, und an Flucht war ebenfalls nicht zu denken - nicht bei diesem Wetter!
    Unbemerkt lief sie zwischen den zwiebeiförmigen Hütten hinter Semjo'on her, der den verletzten Dushkiin nach Hause brachte. Nur der Wind begleitete sie dabei. Das Dorf lag wie ausgestorben da, niemand ließ sich blicken.
    Aruula stutzte, als sie die abseits gelegene Hütte unter den Felsen erreichte, in der Semjo'on soeben verschwand.
    Ein Wispern erfüllte die Luft - vielstimmig und seltsam körperlos. Einen Moment lang glaubte die Barbarin, den ersehnten Kontakt hergestellt zu haben.
    Aber noch ehe sie Wudan danken konnte, wurde ihr klar, dass das Geräusch aus der schwarzen Steilwand kam, die das Dorf zum Land hin abschirmte.
    Misstrauisch beäugte sie die mächtigen, singenden Felsnadeln - was verbarg sich darin? Eine Gottheit? Ein Feind? Automatisch tastete Aruula nach ihrem Schwert und seufzte, als ihr wieder einfiel, wo sie es verloren hatte.
    Dann schlich sie zu der Hütte.
    Rauch stieg über dem Giebel auf, und ein Lichtschein fiel aus der schmalen länglichen Öffnung, die man als Fenster im Flechtwerk der Schilfwand gelassen hatte. Aruula warf einen raschen Blick zurück auf den Strand.
    Warum, bei allen Göttern, hatten sie nur diesen grässlichen Kopf auf den Mast gespießt, der regenfeucht und von Vögeln zerpickt in der Dunkelheit schimmerte?
    Sie schüttelte den Gedanken ab und wandte sich wieder dem Fenster zu.
    »Sobald der Sturm vorüber ist, werden wir den Schädel bergen und der Meeresgöttin zu Ehren auf dem Dach deiner Hütte anbringen, Li'isa«, sagte der Dorfälteste zur Heilerin.
    »Das wird Ya'shiira erfreuen. Und hoffentlich gnädiger stimmen, als sie sich heute gezeigt hat«, brummte die Mutter des verletzten Fischers, während sie dessen Wunden versorgte.
    »Die Meeresgöttin hat nicht nach Dushkiins Blut verlangt - das war Pa'arov!«, erwiderte Semjo'on geduldig und reichte der Heilerin eine Schale mit zerriebenen, in Fischöl verrührten Krautern. Dushkiin verzog das Gesicht, als sie die zähe Paste auf seinen Wunden auftrug. Tapfer bemühte sich der junge Mann, keinen Schmerzenslaut von sich zu geben. Dass es nicht gelang, war wenig verwunderlich - der feuchte grüne Brei fraß sich wie Feuer durchs Fleisch.
    »Kann gar nicht genug weh tun!«, behauptete seine Mutter, als Dushkiin aufjaulte. »Was musst du dich mit Pa'arov schlagen? Dazu noch wegen einer Fremden ! Hat man so was schon gehört?«
    Niemand bemerkte die heimliche Lauscherin. Aruula hatte wenig Mühe, den Inhalt des Gespräches zu erraten: Die Vertrautheit im Umgang der Frau mit Dushkiin ließ darauf schließen, dass es sich um seine Mutter handelte - und Mütter reagieren immer gleich, wenn sie ihre Söhne in Gefahr glauben.
    Aruula beschloss

Weitere Kostenlose Bücher