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077 - Das Kollektiv

077 - Das Kollektiv

Titel: 077 - Das Kollektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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sie zur Genüge, und so machte sie sich eilends auf den Weg zurück ins Dorf.
    Kahl und regennass ragte das Holzgestell, an dem die Netze gehangen hatten, in den Himmel. Nun waren sie fort, und Aruula entdeckte jenseits der Balken einen Verschlag, der wohl zum Räuchern verwendet wurde. Anders als die Fischerhütten war er aus Holz gefertigt und mit einer verschließbaren Tür ausgestattet. Selbige hatte man wohl vergessen zu sichern - sie war ein Spielball des Sturmes geworden, der das dunkle Stangengeflecht rhythmisch gegen die Hüttenwand schlug.
    Wieder fuhr ein Blitz herab. Aruula warf einen abschätzenden Blick auf die freie Sandfläche zwischen ihr und dem Dorf, entschied sich dann gegen das Risiko und rannte zum Holzverschlag.
    Als sie atemlos und durchnässt das schützende Dach erreichte, wartete eine Überraschung auf sie: Ein paar Kinder hockten zusammengekauert am Boden und sahen erschrocken zu ihr auf. Unwillkürlich musste Aruula lächeln, während sie den Blick über die kleine Schar gleiten ließ. Offenbar waren diese Fremden doch nicht so anders als ihr eigenes Volk. Auch im Reich der Dreizehn Inseln gab es Kinder, die ein Unwetter als Abenteuer ansahen, das man umso mehr genoss, desto weiter man von zu Hause entfernt war. Aruula war früherselbst eines dieser Kinder gewesen…
    Wieder zuckten Blitze über den Himmel, gefolgt von lautem Donnerschlag und plötzlich einsetzendem Pitsch-
    Pitsch-Pitsch . Aruula spürte etwas Kaltes an ihrer Schulter und hob den Kopf: Das Dach der Hütte war undicht geworden. Fröstelnd strich sie ihr Haar zurück. Dann sah sie sich nach einem Sitzplatz um. Die Kinder wichen beiseite, und der Blick wurde frei auf das sorgfältig gestapelte Brennholz in der Ecke, auf Fischmesser und ein Bündel Eisenstäbe, an denen die Fische zum Räuchern aufgehängt wurden.
    Gleich neben der Gerätschaft saß das Mädchen.
    Klein und verschüchtert kauerte sie an der zugigen Wand, das obere Armpaar um einen dieser zottigen schwarzen Streuner geschlungen, die Aruula schon mehrmals am Strand gesehen hatte. Es war nicht wirklich ein Hund, auch wenn er genauso hechelte und lange Speichelfäden sabberte.
    Als Aruula einen Schritt auf die Ecke zu machte, gab das Mädchen einen wimmernden Laut von sich und zog die Knie an. Grunzend rollte sich der Streuner herum, stand auf und kam auf die Barbarin zu. Aruula wich zurück.
    Es war unmöglich einzuschätzen, ob er friedliche Absichten hatte oder nicht - die Tatsache, dass er den Kindern nichts tat, war kein Maßstab. Unnötige Risiken wollte die Barbarin nicht eingehen, also verließ sie die Hütte und stellte sich unter den Rand des Daches.
    Vor dem strömenden Regen schützte das nicht - er kam, vom Sturm herangepeitscht, aus allen Richtungen. Aber auch sonst gab es kein Entkommen: Aruula spürte etwas Raues, Spuckefeuchtes ihren Oberschenkel entlang schaben und wich erneut zur Seite, um dem Streuner zu entgehen, der sie neugierig beleckte.
    Am Dorfrand tauchten drei Frauen auf. Suchend sahen sie sich um - anscheinend vermissten sie ihre Kinder.
    Der Streuner hatte inzwischen seine Schlabberei beendet und war, wie es schien, zu dem Schluss gekommen, dass sich dieses fremde Bein vorzüglich zum Besteigen eignete. Hechelnd richtete er sich auf und umklammerte Aruulas Schenkel mit den Vorderpfoten.
    Die Frauen sahen es, zeigten mit etlichen Fingern auf die Barbarin und lachten.
    »Verzieh dich!«, zischte Aruula und stieß das Tier beiseite. Doch der Streuner ließ sich nicht abwimmeln. Hartnäckig setzte er wieder und wieder zum Sprung an. Sein Geschlechtsteil war grotesk - rosafarben und dünn wie ein Schweineschwanz, und es schwankte in der Gegend herum, als hätte es ein Eigenleben.
    Mehrfach streifte es über Aruulas nackte Haut.
    Die Barbarin hörte ein Kichern hinter sich, fuhr herum und sah zwei Kinder in der Tür, wie sie neugierig und mit der Hand vor dem Mund zu ihr her schauten. Zornig verpasste sie dem Streuner einen Tritt, dass er winselnd in den prasselnden kalten Regen flog.
    »Neeki! Neekü«, rief eines der Kinder in die Hütte und winkte aufgeregt.
    Das Mädchen erschien am Türrahmen, schaute abwechselnd auf den Streuner und die Barbarin, sagte aber nichts. Die anderen redeten auf sie ein. Aruula konnte sich denken, was es zu erzählen gab, sah den Blick des Mädchens und wurde wütend.
    Vielleicht war es hier nicht nur verpönt, busengrapschende Jungen zu ohrfeigen - vielleicht durfte man auch keine lästigen Köter treten,

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