077 - Der Schrei des Vampirs
erwischen. Er hätte Fragen beantworten müssen, und das ersparte er sich lieber.
Er nahm ein scharfes Fleischmesser vom Haken und öffnete den Kühlschrank. In einer Plastikschüssel lag ein großes Stück zartes, rosiges Kalbfleisch.
Der Junge holte es rasch heraus und schnitt eine kleine Portion für Gnubbel ab. Niemandem würde es auffallen. Niemand würde deswegen hungrig vom Tisch aufstehen.
Gnubbel brauchte auch Nahrung. Das Tier mußte ja schon beinahe am Verhungern sein.
Jimmy stellte die Plastikschüssel mit dem Fleisch wieder in den Eisschrank. Er säuberte das Fleischmesser gründlich und hängte es wieder an den Haken.
»So, Gnubbel, jetzt gibt's Freßchen«, sagte Jimmy und trat aus der Küche.
***
Blood Castle… Der Name ging mir nicht mehr aus dem Kopf, seit ich ihn gehört hatte. Ich fühlte mich wieder gut. Der Unfall steckte mir nicht mehr in den Gliedern, und ich war sicher, daß ich nicht noch einmal so sehr die Beherrschung verlieren würde.
Mir tat nicht leid, was ich getan hatte, und das befremdete mich, aber ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Blood Castle beschäftigte mich mehr.
Helen Dillaway servierte uns die köstlichen Omeletts und einen Berg Weißbrot dazu.
Wir ließen es uns gut schmecken. Die kleine Differenz im Wagen trug mir Mr. Silver nicht nach. Auch ich hatte sie schon vergessen; wir vertrugen uns wieder.
Nach dem Essen bat ich Mrs. Dillaway, uns ein wenig über Blood Castle zu erzählen.
»Wieso hat es einen so blutigen Namen?« wollte ich wissen.
Die Frau setzte sich zu uns an den Tisch und wischte ein paar Brotkrümel vom Tischtuch.
»Man erzählt sich keine sehr schönen Geschichten über die Burg. Unheimliche Sagen und Legenden ranken sich um dieses alte Bauwerk. Es heißt, der Teufel selbst soll es geschaffen haben.«
»Um darin zu wohnen?« fragte ich.
Helen Dillaway schüttelte den Kopf. »Nein, nach seiner Fertigstellung sollen es finstere, grausame Schattenwesen übernommen haben. Dämonen, die tagsüber schliefen und nachts Jagd auf Menschen machten und ihnen das Blut aussaugten.«
»Blood Castle ist eine Vampirburg?« fragte ich überrascht. In diesem Fall hätte kein besserer Name dafür gepaßt.
Mrs. Dillaway nickte ernst. Sie schien die schrecklichen Geschichten zu glauben, und auch wir waren keine Zweifler. Zuviel hatten wir schon erlebt. Außerdem war der Ex-Dämon ja auf der anderen Seite aufgewachsen. Nichts Höllisches war ihm fremd, und ich hatte diesbezüglich auch schon reichlich Erfahrungen gesammelt.
Bisher hatten wir nicht gewußt, warum uns Bernard Hale als Unterstützung haben wollte. Jetzt war dies kein Geheimnis mehr. Der Parapsychologe wollte sich mit Vampiren anlegen.
Er hätte seine Ungeduld besser bezähmen und auf unser Eintreffen warten sollen. Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich mir vorstellte, wie Hale und Chao Kai dort oben in eine raffinierte Vampirfalle tappten.
»All dies ist vor sehr langer Zeit geschehen«, sagte Helen Dillaway. »Die meisten Menschen tun es als reine Erfindung ab.«
»Aber für Sie sind die Geschichten wahr«, sagte ich.
»Ja, Mr. Ballard. Ich glaube daran, daß die Geschichte dieser Burg mit dem Blut vieler unglücklicher Menschen geschrieben wurde.«
»Wer wohnte dort oben?« wollte Mr. Silver wissen.
»Yul Carrado mit seiner Frau Zia. Bleich wie der Tod sollen sie ausgesehen haben, und niemals sah man sie bei Tageslicht. Erst nach Anbruch der Dunkelheit bekam man sie zu Gesicht, aber das überlebten viele nicht. Heute sind es gottlob nur noch grausige Geschichten, aber einmal war das alles wahr. Obwohl die Burg seit Menschengedenken leersteht, würden mich da keine zehn Pferde hinaufbringen.«
»Ist es möglich, sie zu besichtigen?« erkundigte ich mich.
»Nur von außen«, sagte Helen Dillaway. »Hinein kann man nicht.«
Die Blutburg war also leer.
Mrs. Dillaway erzählte uns, man hätte das Vampirpaar vor langer Zeit vertrieben. Das bedeutete, daß Bernard Hale mit einer Rückkehr von Zia und Yul Carrado rechnete.
Er hatte sich bei den Dillaways einquartiert und dann Blood Castle aufgesucht. Hoffentlich nur, um die Burg mal aus der Nähe in Augenschein zu nehmen.
Oder beabsichtigte er, dort oben auf die Rückkehr der Vampire zu warten?
»Hat Professor Hale eine Nachricht für uns hinterlassen?« fragte ich.
»Nein, Mr. Ballard.«
»Wann wollte er wieder zurück sein?«
»Er hat es nicht gesagt«, antwortete Helen Dillaway.
Ich schaute Mr. Silver an. »Was
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