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077 - Die Gruft der bleichenden Schädel

077 - Die Gruft der bleichenden Schädel

Titel: 077 - Die Gruft der bleichenden Schädel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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sprach
ganz vernünftig, und William James stellte fest, daß er diesen Mann falsch
eingeschätzt hatte.
    »Wissen Sie,
Professor«, fuhr Robert A. Whitacker fort, und seine Stimme klang ruhig und
besonnen, ein wenig traurig. »Wir alle haben unsere Träume. Und dann kommt das
Schicksal und macht uns einen dicken Strich durch die Rechnung. Als Daniele
starb, dachte ich, die Welt ginge unter. Doch dann wurde mir klar, daß wir uns
mit dem abfinden müssen, was ist, daß wir nicht alles beeinflussen und
entscheiden können. Aber ich sah nicht ein, weshalb ich Danieles Leib in einen
Sarg betten und in die Erde versenken lassen sollte. Sie durfte nicht verfaulen
und von Würmern gefressen werden, bis nichts mehr von ihr übrigblieb. Ich
versteckte ihren einbalsamierten Leichnam, richtete heimlich diesen Salon ein
und trug Stück für Stück jener Dinge, mit denen sie sich umgeben hatte,
zusammen. Das Personal im Haus war der Meinung, ich verschenke oder verkaufe
diese Dinge, um nicht mehr durch die Erinnerung an Daniele gequält zu werden.
Aber genau das Gegenteil war der Fall! Ich bewahrte alles auf, verbrachte
Stunden am Glassarg meiner geliebten Frau, und kein Mensch im Haus ahnte etwas.
Aber es gab ja auch noch Vivian. Eine Amme zog sie groß. Jahr für Jahr wurde
sie ihrer Mutter ähnlicher, war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Vivian war
intelligent, klug und hübsch. Eine Mischung, die so selten ist. Es gab keinen
Wunsch, den ich ihr nicht von den Augen ablas, aber ein unruhiges Blut floß in
ihren Adern. Sie wollte die Welt kennenlernen, Geschichte studieren. Vor zwei
Jahren trat sie mit der Eröffnung an mich heran, an einer Expedition
teilzunehmen, nachdem sie gerade mit dem Studium der Archäologie begonnen
hatte. Auch die Tochter des Borneo-Forschers Frank Hamshere, die gemeinsam mit
Vivian studierte, würde teilnehmen. Ich gab meine Einwilligung. Wie Sie
vielleicht gehört haben, hat man nie wieder etwas von der Hamshere-Expedition
vernommen.«
    William James
nickte. Er kannte die Geschichte aus den Zeitungen. »Ja, es ist niemand mehr
zurückgekehrt«, murmelte er. Das Schicksal hatte Whitacker wahrscheinlich nicht
verschont.
    Erst die
Frau, dann die Tochter.
    »Doch, es ist
jemand zurückgekehrt«, entgegnete Robert A. Whitacker. »Einem der Teilnehmer
gelang es, diesem Grauen zu entkommen: Es war meine Tochter, Professor!«
    Die
Überraschungen nahmen kein Ende.
    »Sie konnte
fliehen. Wochenlang irrte sie durch den Dschungel und fand auf illegalem Wege
nach England zurück – auf einem Frachtschiff, wo sie sich verborgen hielt. Sie
ahnte, daß sie die Öffentlichkeit meiden mußte, daß irgend etwas nicht mit ihr
stimmte. Eines Abends stand sie dann vor der Tür. Erschöpft, abgemagert, voller
Angst und vertraute sich mir an. Sie nahm mir das Versprechen ab zu schweigen,
daß es ihr als einzige gelungen war, der Katastrophe zu entkommen, die der
Hamshere-Expedition widerfahren ist. Man glaubt, daß die Gruppe geschlossen
verschollen ist.   Aber dem ist nicht so!
Vivian kam zurück! Und seitdem hält sie sich hier verborgen.«
    William James
begriff immer weniger. »Aber warum tut sie das? Ihre Aussage könnte helfen, das
Schicksal der anderen zu klären. Warum hält sie sich verborgen?«
    »Das werden
Sie gleich sehen. Kommen Sie, Professor!« Erdrehte sich um, und William James
folgte ihm.
    Sie wandten
sich nach links. Am Ende des Ganges führte eine Treppe hinauf. Nach zehn Stufen
standen sie erneut vor einer Tür.
    Dahinter
herrschte Unruhe. Ketten rasselten, als wäre ein Tier angebunden. Der Professor
warf einen verständnislosen Blick auf seinen Begleiter, doch dessen bleiches
Gesicht war ausdruckslos. Er sagte kein Wort, öffnete leise die Tür und schob
sie ein wenig nach innen.
    Sofort drang
ihnen ein dumpfes, tierisches Stöhnen entgegen, und das Kettengerassel wurde
stärker. Whitacker schaltete kein Licht an.
    Ein Gefühl
von Furcht ergriff William James, ohne daß er es sich erklären konnte.
    »Einen Moment«,
wisperte Whitacker. Auf seiner Stirn zeigte sich eine glitzernde
Schweißschicht. »Sie wird gleich ruhiger.« Ein scharfer Geruch schlug ihnen
entgegen – nach Schweiß und Urin.
    Das Kettengerassel
ließ nach.
    Whitacker
stieß die Tür weiter auf. Das indirekte Licht, das in den Raum fiel, ließ die
Umrisse der Einrichtung erkennen.
    Viel zu sehen
gab es nicht.
    In der Ecke
rechts stand ein Tisch, davor ein Stuhl und links dahinter ein Metallbett, daneben
ein hoher Schrank,

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